Verbandsliga: Teamgeist und Variabilität sind die Schlüssel zum Aufstieg des SC 1960 Hanau

Der SC 1960 Hanau steigt zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte in die Fußball-Hessenliga auf. Über die gesamte Spielzeit hinweg haben die Hanauer die Liga dominiert und stehen seit vergangenem Freitag bereits als Meister fest. Wir haben mit Trainer Savas Erinc über die wichtigsten Faktoren der Meistersaison gesprochen.
Die Schlüsselspieler: Rückkehrer Aret Demir wurde den großen Erwartungen vollkommen gerecht. Der Mittelfeldmotor (27 Spiele, sechs Tore) ist für Trainer Savas Erinc der „Unterschiedsspieler“ im Kader. „Wenn er loslegt, kann er ein Spiel jederzeit entscheiden“, lobt Erinc Demir, der vor der Saison von Hessenligist Türk Gücü Friedberg nach Hanau zurückgekehrt war. Auch Abwehrchef Tobias Meub (kam vom FC Erlensee) hat seine Rolle in Hanau sofort gefunden. „Im Spielaufbau findet er unter Druck immer eine Lösung, er hat immer einen Plan“, sagt Erinc. Ebenfalls unverzichtbar: Kapitän Özcan Aydin, der der Mannschaft jederzeit den Rücken gestärkt hat, und Torwart Abdul Samed Ersöz, der dem HSC mit seinen Paraden einige Punkte gesichert hat.
Die jungen Wilden: Ahmet Aygül, Kamal Farahat, Ronaldo Dos Santos, Alex Miller, Siyar Erinc, Valerio Marcello Mickley: Die jungen Spieler haben sich schnell zu Leistungsträgern entwickelt. „Sie haben alles umgesetzt, was wir uns erhofft haben. Sie sind jung, wild, aber auch bescheiden und lernwillig“, lobt Erinc die Jungspunde, die von den erfahrenen Kickern hervorragend geführt wurden.
Die Vielseitigkeit: Die Hanauer blieben nicht frei vom Verletzungspech, Keeper Ersöz verpasste gerade zu Beginn viele Spiele aufgrund einer Meniskus-Operation. Sein Vertreter Nicolas Meurer Camacho (kam von der TSG Niederrad) vertrat den Keeper in 14 Spielen glänzend. „Er musste von heute auf morgen ins Tor und hat das sehr, sehr gut gemacht“, sagt Erinc. Auch, weil Ersöz seinem Ersatzmann jederzeit mit Rat und Tat zur Seite stand und auch in der Verletzungspause in der Kabine voranging. Aber auch in der Offensive musste improvisiert werden. Der schnelle Travis Parker musste in der letzten Phase der Saison im Sturmzentrum ran. „Der hat da ganz vorne eigentlich gar nix zu suchen“, schmunzelt Erinc: „Er ist einfach brutal schnell und dadurch immer eine Waffe.“ Parker bedankte sich mit bisher sieben Saisontoren.
Die Highlights der Saison: „Für mich waren das die Spiele in einer Phase zuletzt, die sehr, sehr wild war“, sagt Erinc. In der Partie beim FV Bad Vilbel Mitte April musste Hanau 70 Minuten in Unterzahl spielen, geriet in Rückstand und drehte die Partie dennoch. In der 81. Minute traf Abwehrchef Meub zum 2:1-Siegtreffer. „Ein irres Spiel“, erinnert sich Erinc. Noch wilder ging es zwei Wochen später im Heimspiel gegen die Sportfreunde Frankfurt zu, in dem die Hanauer bis zur 88. Minute 1:2 zurücklagen. Francesco Calabrese und erneut Meub mit seinem zweiten Treffer des Spiels sorgten für den spektakulärsten Sieg der Saison. „Da hat der Fußballgott gesagt, die müssen die Meisterschaft holen“, sagt Erinc: „Diese Spiele haben auch mich als Trainer geprägt, die Mannschaft ist dadurch am Ende noch enger zusammengerückt.“
Die Offensivstärke: 85 Tore hat der HSC in 29 Spielen erzielt, also fast drei pro Spiel. Damit stellt er die beste Offensive der Verbandsliga Süd. Und das ohne einen herausragenden Torjäger. Shelby Printemps (zehn Saisontore) verließ 1960 Hanau im Winter, Alex Miller (acht Tore in 14 Spielen) hatte gleich mehrfach Verletzungsprobleme, brach sich im Frühjahr den Fuß. „Wir hatten schon einige Hindernisse, das war am Ende aber völlig egal“, sagt Erinc. Bester Torschütze der Hanauer ist Ronaldo Dos Santos mit 13 Treffern.
Das Team hinter dem Team: Mit Co-Trainer Lukas Marburger und Torwarttrainer Ken Eichholzer hat sich der HSC auch im Hintergrund neu aufgestellt. Schnell griff hier ein Rädchen ins andere. Patric Koch wurde neuer Sportlicher Leiter, stellte die Mannschaft gemeinsam mit Erinc zusammen. „Ich habe von den Jungs als Trainer immer das volle Vertrauen gespürt“, freut sich Erinc. Eine große Rolle im Hintergrund spielt der Vorsitzende Okan Sari. „Er ist derjenige, der uns alles ermöglicht, der den Traum hat, den Verein immer professioneller aufzustellen. Jetzt gemeinsam mit meinem Freund die Meisterschaft zu holen, ist sensationell“, sagt Erinc.
Der Spielstil: Der HSC will immer dominant auftreten, den Gegner mit eigenem Ballbesitz kontrollieren, immer neue Lösungen finden. „Wenn der Ball weg ist, wollen wir ihn so schnell wie möglich zurückholen. Wir haben eine laufstarke Mannschaft, die auch technisch sehr stark sein muss“, sagt Erinc, der den Spielstil der Hanauer als „geduldig“ beschreibt. Mit Hilfe von Videoanalysen bereitet man sich auf jeden Gegner individuell vor, agiert mal aggressiver, mal zurückhaltender. Mit großem Erfolg.

Der Teamspirit: „Die Chemie hat von Anfang an gepasst, jeder hat seine Rolle gefunden. Mal wurde auf den Tisch gehauen, mal die jungen Spieler eingeordnet. Aber das immer auf Augenhöhe, immer positiv und optimistisch“, beschreibt Erinc den Zusammenhalt der Mannschaft. Der Trainer musste sich auch selbst anpassen, die obligatorische Kiste mit Bier oder Radler nach dem Spiel ist eigentlich nicht nach dem Geschmack von Erinc. „Wenn wir siegen, können es aber auch gerne zwei Kisten sein. Das war ein kleiner Lernprozess für mich“, schmunzelt er. Für beste Stimmung in der Kabine sorgt Dominique Jourdan mit lateinamerikanischer Musik. „Das war am Anfang gewöhnungsbedürftig, mittlerweile hören viele Spieler das auch so im Auto“, sagt Erinc.
Von Michael Bellack