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Mehr Tempo, mehr Platzverweise: Untere Spielklassen sind nicht die „Treterligen“

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Von: Michael Bellack

Spiele in höheren Ligen sind intensiver, deshalb greifen die Schiedsrichter auch härter durch. So die Einschätzung von Philipp Götzl-Mamba, stellvertretender Schiedsrichterobmann.
Spiele in höheren Ligen sind intensiver, deshalb greifen die Schiedsrichter auch härter durch. So die Einschätzung von Philipp Götzl-Mamba, stellvertretender Schiedsrichterobmann. © Scheiber

Untere Spielklassen gelten im Amateurfußball oft als „Treterligen“. Zu Unrecht, wie zumindest der Blick in die Statistiken des Fußballkreises Hanau zeigt. Hier wurden bis zur Winterpause in den höheren Spielklassen deutlich mehr Platzverweise ausgesprochen als in den unteren Ligen. Ein Schiedsrichter nennt mögliche Gründe.

Hanau – 16 Rote Karten gab es bis zur Winterpause jeweils in der Kreisliga C und B, den untersten Hanauer Spielklassen. Deutlich weniger als in Kreisliga A (29), Kreisoberliga (37) und der Gruppenliga (32). Es wurden zwar auch weniger Spiele absolviert, allerdings nicht im gleichen Verhältnis zu den Platzverweisen. Philipp Götzl-Mamba, Stellvertretender Kreisschiedsrichterobmann der Schiedsrichtervereinigung Hanau, sieht mehrere mögliche Gründe: „In den unteren Ligen sind viele Spiele eher freundschaftlich, die Konkurrenz steht nicht so im Vordergrund.“ Die Spiele hätten aufgrund des niedrigeren Niveaus weniger Tempo, was auch zu weniger Emotionen und schließlich auch Aggressionen auf dem Platz führe.

Und weniger Tempo bedeute oft auch weniger harte Fouls. Zudem seien die Ergebnisse in vielen Spielen ziemlich deutlich. „Wir haben kaum Spiele, die richtig eng ausgehen. Viele Rote Karten, die gezeigt werden, sind nicht wegen Fouls, sondern wegen Notbremsen. Und bei einem 0:5 greift man seltener zu einer Notbremse als bei einem 0:1“, sagt er.

Schiedsrichter der höheren Ligen haben meist anderes Knowhow

Eine weitere Erklärung für die geringe Anzahl an Platzverweisen: Wie die Spieler selbst haben auch die Schiedsrichter in den höheren Ligen eine andere Qualität. „Hier kriegen die Schiedsrichter andere Dinge mit, sie haben auch ein anderes Fachwissen und bewerten die Situationen anders und meist konsequenter“, sagt Götzl-Mamba. In der Kreisoberliga und Gruppenliga stehen die Schiedsrichter zudem öfter unter offizieller Beobachtung, um die Leistung zu bewerten. In den unteren Klassen werde eher mal „ein Auge zugedrückt.“

Das Gros der Roten Karten werde wegen Foulspielen gezückt, so Götzl-Mamba. Beleidigungen, Tätlichkeiten und sonstige Verfehlungen seien die Ausnahme und in den unteren Ligen auch nicht überproportional vertreten. „Vom Gefühl her hält sich das alles die Waage.“

Zeitstrafe hat einige Spieler vor Platzverweis bewahrt

Ein Grund für die höhere Anzahl der Roten Karten ab der Kreisliga A könnte auch die Einführung der Zeitstrafen sein. Leistet sich ein Spieler nach Absitzen der Zehn-Minuten-Strafe erneut ein gelbwürdiges Foul, wird er mit glatt Rot zum Duschen geschick. Gelb-Rote Karten gibt es bekanntlich nicht mehr. Dennoch hat die Zeitstrafe wohl einige Spieler vor dem Platzverweis bewahrt. In der Kreisoberliga wurden 42 Zeitstrafen ausgesprochen, Spitzenreiter ist die KLA (60), vor der Kreisliga B (51) und der C-Liga (39). In der Gruppenliga wiederum gibt es die Zehn-Minuten-Strafe nicht, stattdessen wurde 42 Mal die Ampelkarte gezeigt.

Schiedsrichtermangel an der Basis

Der Schiedsrichtermangel bleibt auch im Fußballkreis Hanau ein großes Thema. Den Vereinen in der Kreisliga C habe man vor Saisonbeginn mitgeteilt, dass es gut sein könne, das nicht für alle Spiele Unparteiische gefunden werden. „Momentan läuft das alles gut und relativ entspannt“, sagt Philip Götzl-Mamba. In der untersten Hanauer Spielklasse habe man auch davon profitiert, dass zwei Mannschaften (Hilalspor Hanau II und RW Großauheim II) zurückgezogen haben und somit weniger Spiele besetzt werden mussten. „Auch Spiele unter der Woche entzerren den Sonntag“, so Götzl-Mamba. 

Götzl-Mamba persönlich ist kein Freund der Zeitstrafe. „Sie kann ein Modell der Zukunft sein, dann aber in abgewandelter Form“, findet er. Wie es gehen kann, zeige ein Blick nach Bayern: Dort können Zeitstrafen unabhängig von einer vorherigen Gelben Karte verteilt werden. Auch Gelb-Rote Karten gibt es noch. „Die Schiedsrichter haben so mehr Möglichkeiten. Die Zeitstrafe hätte eine ganz andere Signalwirkung“, sagt Götzl-Mamba.

Von Kreisliga A bis Gruppenliga gab es insgesamt sieben Platzverweise gegen Offizielle. Also Trainer, Betreuer oder auch Auswechselspieler, die logischerweise nicht mit einer Zeitstrafe belegt werden können. „Da sind wir im geringen bis normalen Bereich, das ist verhältnismäßig“, ordnet der Schiedsrichter die Zahlen ein. (Von Michael Bellack)

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