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Schönecker Missbrauchs-Prozess: Es bleiben Zweifel

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Archivbild: HA
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Schöneck/Hanau. Das Verfahren vor dem Hanauer Landgericht gegen einen 38-jährigen Schönecker Familienvater, dem die Staatsanwaltschaft vorwirft, seine heute 19-jährige Stieftochter in insgesamt 78 Fällen sexuell missbraucht zu haben, geht auf die Zielgerade.

+++ Update 29.1.2020 +++

Im Verfahren vor dem Hanauer Landgericht gegen einen 48-jährigen Schönecker, dem die Staatsanwaltschaft vorwirft, seine minderjährige Stieftochter in 78 Fällen sexuell missbraucht zu haben, gibt es offenbar eine entscheidende Wendung. Eigentlich sollten am Mittwoch bereits die Plädoyers gehalten werden, doch die Kammer hat den Termin aufgehoben und tritt erneut in die Beweisaufnahme ein. Wann der Prozess fortgesetzt wird, steht noch nicht fest. rh​

+++ Artikel vom 28.01.2020 +++

Von Rainer Habermann

Der Vorsitzende Richter der 5. Großen Strafkammer, die den Prozess verhandelt, Dr. Mirko Schulte, schloss gestern die Beweisaufnahme, nachdem eine Sachverständige, Diplompsychologin Sonja Parr mit Praxis in Gießen, ihr aussagepsychologisches Fachgutachten vorgestellt hatte.

BKA präsentiert neue Erkenntnisse

Zuvor war noch ein Mitarbeiter des Bundeskriminalamts (BKA) zum Zuge gekommen. Er lieferte Hinweise, dass die Vorwürfe gegen den Schönecker doch schwerwiegend sein könnten. Und bestimmte Vorgänge nicht ganz so stattgefunden haben können, wie es verschiedene andere Zeugen – und der vermeintliche Täter selbst, der ja alles als Erfindung seines Stiefkinds sieht – bisher darstellten.

Eine DNA-Analyse des BKA wies Speichelspuren des Stiefvaters an den Brüsten des Mädchens und Sperma im Zwickel ihrer Strumpfhose nach. So dürfte für den 38-Jährigen alles davon abhängen, wie viel Glauben das Gericht dem vermeintlichen Opfer schenkt, das unter Ausschluss der Öffentlichkeit – so sieht es der Jugendgerichtsschutz bei Minderjährigen vor – bereits zu Prozessbeginn ausgesagt hatte.

Psychologin liefert einige Überraschungen

Und um diese Glaubwürdigkeit der jungen Frau zu beurteilen, war die Gießener Psychologin bei den Vernehmungen dabei, verfolgte den Prozess von Anbeginn an und hatte zuvor auch drei eigenständige Gespräche über mehrere Stunden mit der Stieftochter: „Explorationen“, wie der Fachbegriff für qualifizierte psychologische Gesprächsführung lautet.

Parr versuchte eine Reihe von Fragen zu klären: Lügt die Probandin? Erzählt sie durchgängig die Wahrheit? Weisen die Schilderungen Widersprüche auf? Sind ihre Aussagen „erlebensorientiert“ oder sind manche Erfindungen? Fühlt sie sich durch Freundinnen gefordert, etwas auszuschmücken? Doch solche Inhalte sind auch für Psychologen nicht leicht in eine Art gerichtsverwertbare Sprache umzusetzen. So ergaben sich einige Überraschungen in der Expertise.

„Eine vollumfängliche Falschaussage halte ich für unwahrscheinlich“ war so ein Satz der Psychologin. „Eine Lügenhypothese ist aber nicht grundsätzlich zurückweisbar“ ein anderer. Und: „Neben vielen konsistenten Aussagen gibt es auch Lücken und Abwandlungen“ ein dritter.

Aussage des Mädchens lässt Zweifel zu

Warum das Mädchen damals, über viele Jahre, die angeblichen Übergriffe ihres Stiefvaters „erduldet“ habe und nicht früher eine Anzeige gegen ihn erstattete, war ebenfalls eine Frage, die das Gericht beschäftigen dürfte. Sie habe Angst gehabt, dass der dann seine Wut an Mutter und Geschwistern auslassen werde, war eine Antwort von ihr. Auch die kann man durchaus in Frage stellen, hört man den Beschuldigten von der Anklagebank aus und kennt man die Vorgeschichte des Mädchens.

Am kommenden Prozesstag stehen die Plädoyers von Staatsanwalt Martin Links, Nebenklagevertreterin Gabriele Berg-Ritter und Verteidiger Christian Freydank an – und natürlich das letzte Wort des Angeklagten.

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