Bodo Kirchhoff brilliert als Autor und Vorleseprofi

Schöneck. Von der Möglichkeit einer Liebe: Der Schriftsteller Bodo Kirchhoff war zu Gast im Alten Schloss in Büdesheim. In seiner Lesung aus seinem neuen Roman „Widerfahrnis“ erzählt er von einem männlichen Einzelgänger, der auf einem Road-Trip durch Italien mitgenommen wird.
Von Andrea Pauly
Einen der renommiertesten deutschen Schriftsteller hatte der Förderverein Leselust im Rahmen einer „Leseland Hessen“-Veranstaltung zu Gast. Bodo Kirchhoff, gebürtiger Hamburger, lebt seit mehr als 40 Jahren in Frankfurt und las im Alten Schloss in Büdesheim aus seiner neue Novelle „Widerfahrnis“. Sie ist für die Shortlist des Deutschen Buchpreises 2016 nominiert.Die Premierenlesung hatte erst einen Tag zuvor im Frankfurter Literaturhaus stattgefunden. Um so mehr freute sich Marianne Lauer, die Vorsitzende des Vereins, Kirchhoff, der von seiner Frau Ulrike Bauer begleitet wurde, im voll besetzten Brendelsaal des ländlichen Schlosses zu begrüßen.Kirchhoff zieht seine Zuhörer in den BannDer erfahrene Schriftsteller präsentierte sich dabei nicht nur als virtuoser Autor, sondern auch als Vorleseprofi. Mit seiner angenehm warmen und fein modulierenden Stimme gab er den Dialogen und Beschreibungen zusätzliche Tiefe und berührte die Zuhörer, die ihm in absoluter Stille lauschten.Das machte sich in den Lesepausen zwischen den Kapiteln bemerkbar, wenn plötzlich verhaltenes Hüsteln und Schneuzen in den Publikumsreihen vernehmbar wurde – als Zeichen erster herbstlicher Erkältungen. Um so schöner war es, in Gedanken dem Protagonisten Kirchhoffs ein Stück in südliche Gefilde zu folgen.Facettenreiche Spielerei mit WortenBodo Kirchhoff zeigt sich auch mit seinem neuen Werk als einfühlsamer Erzähler, der facettenreich mit Worten zu spielen weiß. Männliche Einzelgänger, die auf irgendeine Weise mit der Liebe und dem Leben hadern und in eine außergewöhnliche Situation geraten, sind oft sein Thema. In seiner Novelle „Widerfahrnis“ wird seine Hauptfigur mitgenommen auf einen Road-Trip durch Italien.So hat sich sein „Held“, der großstädtische Verleger Reither, nun in einem idyllischen Tal am Alpenrand niedergelassen, weil er seinen Verlag dichtgemacht hat. Denn es gäbe zunehmend mehr Schreibende als Lesende, so Reither. In der dortigen Bibliothek entdeckt er ein Buch ohne Titel, auf dem Umschlag nur der Name der Autorin.Ein männlicher Einzelgänger auf eine Road-Trip durch ItalienWährend ihn dies noch beschäftigt, klingelt es abends bei ihm und Leonie Palm, ehemalige Besitzerin eines Hutgeschäfts und Mitglied beziehungsweise Vorsitzende des örtlichen Leseclubs, steht vor ihm. Im Laufe eines amüsanten Dialogs, überzeugt sie Reither mal nach ihrem Auto „zu schauen“. So beginnt sein Widerfahrnis und führt ihn binnen drei Tagen bis nach Sizilien, eine Reise, die auch die aktuelle Flüchtlingsthematik novellistisch miteinbezieht.Bodo Kirchhof erzählt in seiner Novelle von der Möglichkeit einer Liebe, „sowie die Parabel von einem doppelten Sturz: in die Liebe, ohne ausreichend lieben zu können, und in das Mitmenschliche, ohne ausreichend gut zu sein“. Der erste Satz der Novelle beginnt mit „Diese Geschichte, die ihm noch immer das Herz zerreißt“ und könnte in seiner bildhaften Aussage auch auf die Empfindungen der Leser von Kirchhoffs neuestem Werk zutreffen.