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Nidderau: 22-Jähriger präsentiert gefälschte Urinprobe und Berg aus Lügen

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Von: Thorsten Becker

Eine Drogenprobe ist gut gewesen, die andern hat ein 22-Jähriger aus Nidderau dreist gefälscht. Dafür ist er nun vom Amtsgericht wegen Urkundenfälschung verurteilt worden. Symbol
Eine Drogenprobe ist gut gewesen, die andern hat ein 22-Jähriger aus Nidderau dreist gefälscht. Dafür ist er nun vom Amtsgericht wegen Urkundenfälschung verurteilt worden. © Symbolfoto: Peter Kneffel/dpa

Ziemlich dreist: Ein junger Nidderauer fälscht nicht nur seine Urinprobe, sondern erzählt auch Lügen im Gerichtssaal.

Nidderau/Hanau – Wer im Verhandlungssaal von Santi Bhanja auf der Anlagebank sitzt, der hat das gesetzlich verbriefte Recht zu schweigen. Wenn nicht, dann sollten die Angaben ziemlich eng mit der Wahrheit verknüpft sein. Denn die erfahrene Amtsrichterin hat eine ganz besondere Gabe: Sie merkt instinktiv, wenn jemand das Blaue vom Himmel erzählt. Und das kann empfindliche Folgen haben.

Diese Erfahrung macht an diesem Tag ein 22-Jähriger aus Nidderau. Er erlebt 45 ziemlich ungemütliche Minuten. Sein „juristisches Problem“: Er bringt eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten mit. Nach kleineren Drogenvergehen als Jugendlicher und einer Autofahrt ohne Haftpflichtversicherung als Heranwachsender, hatte das Jugendschöffengericht den jungen Mann zu diesem Strafmaß verurteilt und ihm einen Weg aus seiner Misere mit dem Cannabis-Konsum aufgezeigt, um drogenfrei zu leben: Er soll regelmäßig Urinproben abgeben und die Ergebnisse seiner Bewährungshelferin vorlegen.

Nidderau: Laborarzt weiß nichts von angeblichen Urinproben

Das macht der junge Nidderauer. In der ersten Drogenkontrolle gibt es keine Spuren von Cannabis. Auch in der zweiten und dritten Kontrolle im Winter 2021 sind keine Spuren von Cannabis mehr zu finden. Die Bewährungshelferin, die den Nidderauer wieder in die Spur bringen soll, freut sich zunächst, dass die richterlichen Auflagen befolgt werden. Doch dann stutzt sie, legt die Befundberichte nebeneinander und entwickelt einen ausgezeichneten kriminalistischen Spürsinn. „Ich dachte mir, da stimmt etwas nicht – und dann habe ich beim Labor angerufen.“

Am anderen Ende der Leitung ist der Laborarzt überrascht. Der junge Mann, zu dem der Drogenbefund eigentlich gehören soll – der hat überhaupt keine Probe abgegeben. Die Zettel sind gefälscht – eine ziemliche Dreistigkeit. Vor allem für jemanden, der unter laufender Bewährung steht. Doch der

Nidderau: Mann hatte angeblich „Probleme beim Pinkeln“

22-Jährige macht reinen Tisch, gesteht die zweifache Urkundenfälschung, die ihm Amtsanwältin Pia Schulmeyer in der Anklageschrift vorwirft. „Das war mit einem Computerprogramm ganz einfach“, sagt er. Ein volles Geständnis, das der Wahrheit entspricht.

Doch dann kommen die ersten Ausflüchte, als Richterin Santi Bhanja nachhakt, was denn der Grund für die Fälschungen des Angeklagten gewesen sei. „Probleme beim Pinkeln“, lautet die erste Version. Dann sind es finanzielle Probleme. „Ich hatte kein Geld, jeder dieser Tests kostet 25 Euro.“ Die beiden Juristinnen stutzen. Sollen sie sich jetzt ein Motiv aussuchen? Doch das Geständnis reicht völlig.

Hanauer Richterin greift während Verhandlung zum Telefon

Also versucht die Amtsrichterin, sich mit der Zukunft des jungen Mannes zu beschäftigen. „Haben Sie denn eine Beschäftigung?“ Nein, die hat er derzeit nicht. „Aber ich habe ab 1. September einen Ausbildungsplatz bei einem Nidderauer Unternehmen“, sagt er. Ja, und außerdem habe er sich noch bei einer bundesweiten Transportfirma beworben.

Das hört sich doch gut an, das könnte eine gute Prognose sein. Doch der junge Mann hat seine Rechnung ohne die pfiffige Richterin gemacht. Denn sie greift mitten in der Verhandlung zum Telefon, ruft in Nidderau an und stellt auf Lautsprecher, damit es jeder im Saal hört. „. . . stellen Sie zum 1. September einen Auszubildenden ein?“, fragt Bhanja. „Ja, das machen wir, wir stellen einen Azubi ein“, heißt es aus der Personalabteilung. „Und der Azubi heißt K?“, hakt Bhanja nach. „Nein, der heißt anders. Herrn K. haben wir bereits schriftlich abgesagt, und ich habe ja mit ihm bereits telefoniert.“ Aua! Jetzt wird es richtig ungemütlich auf der Anklagebank, denn von Richterin Bhanja kommt postwendend eine klar formulierte Standpauke: „Mit der Wahrheit nehmen Sie es nicht so genau. Sie punkten hier eher, wenn sie ehrlich sind.“ Das sitzt.

Bewährungshelferin stellt dennoch gute Prognose aus

Doch der 22-Jährige scheint sich seit der Fälschung deutlich gebessert zu haben. Das bestätigt ausgerechnet die clevere Bewährungshelferin, die er hinters Licht führen wollte. Sie lobt ihn: „Ich weiß immer noch nicht, warum er das mit den gefälschten Befunden gemacht hat. Aber der Bewährungsverlauf ist gut, Herr K. kommt zu allen vereinbarten Terminen und er macht regelmäßig Drogenscreenings beim Kreisgesundheitsamt.“

„Und die sind aber wirklich echt?“, will die Richterin wissen und kann sich ein süffisantes Lächeln nicht verkneifen. „Ja.“ Für Amtsanwältin Schulmeyer ist der Fall eindeutig. Zwei Fälle von Urkundenfälschung. Das macht zusammen neun Monate Haft – auf Bewährung. „Er hat uns hier vorgegaukelt, er habe eine Anstellung“, so die Anklägerin, die die Aussage sehr diplomatisch als „unglücklich“ bezeichnet und sich schließlich persönlich an den Nidderauer wendet: „Es wäre sehr wichtig für Sie, dass Sie sich eine Ausbildung suchen. Wenn Sie so weitermachen, dann wird Ihre Bewährungshelferin Ihnen bestimmt helfen können.“

Nidderau: Neun Monate auf Bewährung und 150 Arbeitsstunden

Das Schlusswort hat Amtsrichterin Bhanja mit ihrem Urteil. Sie verhängt neun Monate auf Bewährung gegen den 22-Jährigen und fügt als Auflage noch 150 Stunden gemeinnützige Arbeit hinzu: „Sie sollen schon spüren, dass das hier nicht in Ordnung gewesen ist. Außerdem sind sie, was die Beschäftigung angeht, unterversorgt.“ (Von Thorsten Becker)

Bei einer Polizeikontrolle auf der A5 bei Weiterstadt versuchte ein 46 Jahre alter Autofahrer die Polizisten mit einer gefälschten Urinprobe reinzulegen. Vergeblich.

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