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Über die Schulter geschaut: Nistkästenreinigung des NaBu

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ean Marie Larson Golez zeigt mir, wie ich die Nistkästen von Moos und Blättern befreien muss. Wichtig ist, nicht frontal vor dem Eingang zu stehen – sonst läuft man Gefahr, von einer Maus angesprungen zu werden. Foto: Bender
ean Marie Larson Golez zeigt mir, wie ich die Nistkästen von Moos und Blättern befreien muss. Wichtig ist, nicht frontal vor dem Eingang zu stehen – sonst läuft man Gefahr, von einer Maus angesprungen zu werden. Foto: Bender

Maintal. Den ganzen Morgen hat es geregnet. Pfützen stehen in den Schlaglöchern des Waldweges. Zu meiner großen Erleichterung tauchen Hanns Golez und seine Frau Jean-Marie Larson Golez vom Naturschutzbund Maintal am vereinbarten Treffpunkt mit einem großen Pick-Up auf. Genau das richtige Gefährt

Von Michael Bellack

.„Steigt ein!“ rufen sie mir zu. Auf der großen Ladefläche des Pick-Ups stehen bereits Hammer, Eimer und Kratzer bereit für den Einsatz: Es geht zur Nistkastensäuberung in den Maintaler Wald. Es läuft Country-Musik aus den USA, 60er, 70er Jahre. Die Musikauswahl im Geländewagen verleiht der Aktion gleich das richtige Flair.

Auch wenn es nur wenige hundert Meter hineingeht in den Wald, macht sich bei mir ein bisschen Abenteuerstimmung breit. Vor meinem geistigen Auge fahre ich durch die Wälder der Rocky Mountains, atme die frische Luft der Wildnis und kann die Freiheit geradezu mit Händen greifen.

„Hier kommen nur wir weiter“Ein bisschen reißt mich das Bremsen des Pick-Ups aus meinen Träumen. „Hier kommen nur wir weiter“, erklärt Hanns Golez, als wir vor dem verschlossenen Tor stehen, das den Zugang zum Wald für PKW verhindert. Als Vorsitzender des Naturschutzbundes Maintal gilt diese Absperrung für ihn natürlich nicht.„Ich bin gespannt, wie viele Gartenschläfer wir finden“, sagt Golez beiläufig. Ein komischer Name für einen Vogel, kommt mir in den Sinn. Denn ich bin komplett auf die Begegnung mit Vögeln eingestellt, für die sind die Nistkästen schließlich da. „Die schlafen ja immer so tief“, erzählt Golez weiter. Tief schlafende Vögel? Das kann doch nicht sein. „Sind das denn überhaupt Vögel?“, frage ich und gebe mein geballtes Unwissen preis. Golez Reaktion fällt genauso aus, wie man es erwartet von einem Naturliebhaber – lautes Lachen. „Nein, Gartenschläfer sind keine Vögel.“

Schon haben wir die ersten Nistkästen erreicht, die im Wald an den Bäumen hängen. Auf den ersten Blick sind sie nicht leicht zu finden. Deshalb gibt es einen genauen Plan, auf dem die 19 Nistkästen eingezeichnet sind, die wir heute reinigen wollen. Das ist aber nur ein Bruchteil der gesamten Anzahl. Insgesamt hat der Nabu Maintal über 800 Nistkästen, die aus Holz oder gegeossenem Beton bestehen, aufgehängt und ist auch für die Instandhaltung zuständig.

„Ich bin nur der Sekretär“Frau Golez schnappt sich den Eimer mit den Werkzeugen, Herr Golez bleibt am Auto. „Ich bin nur der Sekretär“, sagt er augenzwinkernd und verweißt auf einen Papierbogen, auf dem eingetragen wird, wie viele und welche Tiere in den Kästen sind.

Beim ersten Kasten bin ich noch Beobachter, beim zweiten darf ich gleich ran. Also Halterungsbügel drehen und die Vorderwand abnehmen. Es ist kaum zu glauben, wie viel Moos, Blätter und Gras in einen so kleinen Nistkasten gestopft werden können. „Das machen die Mäuse“, erklärt Frau Golez. „Die springen hier oft direkt raus oder laufen den Baum hoch, wenn man an den Kasten geht.“ Na super. Langsam taste ich mich mit der kleinen Harke vor, entferne das Moos aus dem Nistkasten – immer in Alarmbereitschaft wegen der Mäuse.

„Ich hab' etwas!“Dann fällt mir ein kleines Fellknäuel in die Augen. Zuerst der Schwanz, dick und mit Fell, ganz anders als man es von Mäusen kennt. „Ich hab' etwas!“, rufe ich stolz heraus. Jean-Marie wirft einen kurzen Blick in den Kasten. „Oh ja, da haben wir den ersten.“ Die Freude ist ihr anzusehen. Vorsichtig greift sie in den Kasten, holt das kleine Fellknäuel heraus und legt es mir in die Hand. Beim Anblick des flauschigen, eingerollten Gartenschläfers schmilzt mein Herz dahin. Leise und vorsichtig betrachte ich das putzige Tierchen. Dabei könnte wohl auch eine Heavy-Metal-Band neben uns auftreten, der Gartenschläfer würde nicht aufwachen. „Der schläft jetzt noch bis April tief und fest“, weiß Jean-Maria. Erst dann ist sein Winterschlaf beendet.

Da die Tiere ihre Körperfunktionen auf ein Minimum zurückschrauben, darf der Kleine aber nicht lange im Kalten sein. Sonst kann es zu Unterkühlungen kommen, die zum Tod führen können. Also legt Jean-Marie den Winzling zurück in den Nistkasten, gemeinsam stopfen wir das Moos wieder zurück und lassen den Gartenschläfer weiter schlafen. Der Name ist schließlich Programm.

Bis zu 30 GartenschläfernNistkästen, in denen die kleinen Nagetiere wohnen, werden natürlich nicht gesäubert. „Wir schmeißen nur die Mäuse raus“, so Jean-Marie. Die kommen schließlich auch so zurecht und sollen den Vögeln zur Nistzeit nicht ihre Plätze wegnehmen. Mit den Gartenschläfern verhält es sich anders, diese sind in der hiesigen Waldlandschaft eine Seltenheit und zudem eine bedrohte Art. Warum sie sich in Maintal angesiedelt haben, weiß auch Naturexperte Hanns Golez nicht: „Eigentlich gibt es sie bei uns nicht. 2010 wurden hier die ersten Tiere entdecke, seitdem finden wir jedes Jahr welche.“ Bis zu 30 Gartenschläfer wurden teilweise gezählt.

Meine Motivation ist mit der Aussicht auf weitere putzige Begegnungen extrem gestiegen. Und tatsächlich: In jedem dritten der 19 Nistkästen finde ich die schlafenden Gartenbewohner.

Mäuse in den KästenAber auch eine Begegnung mit Mäusen bleibt mir leider nicht erspart. Der viel dünnere Schwanz fällt sofort auf, ruckzuck schauen mich zwei wache Augen direkt an. In weiser Voraussicht macht Jean-Marie schon zwei Schritte zur Seite und auch mir rät sie, nicht frontal vor dem Nistkasten, der genau auf Kopfhöhe hängt, zu stehen. Mit kräftigem Schütteln versuche ich die Maus zu vertreiben, die sich nach Kräften wehrt. Bis sie auf einmal unvermittelt abspringt und einen Meter weiter auf dem Boden landet und innerhalb kürzester Zeit im Waldboden verschwindet.

Rund zwei Stunden dauert die Aktion. Jährlich säubern und reparieren Jean-Marie und Hanns Golez die Kästen in diesem Waldabschnitt. Ehrenamtlich natürlich. „Du kannst gerne wiederkommen“, heißt es von beiden. Denke ich an die kleinen Gartenschläfer zurück, ist das ein durchaus verlockendes Angebot, auch wenn das Säubern der Nistkästen anstrengender ist, als man erwartet.

Auf der Rückfahrt bahnt sich der Pick-Up dank Allradantrieb einen Weg durch den verschlammten Wald. Mit den Gedanken schweife ich wieder ab, fahre einmal mehr durch unberührte Natur in den Rocky Mountains. Dort gibt es die Gartenschläfer, die nur in wenigen Teilen Europas heimisch sind, übrigens nicht. Das kann nur die Wildnis Maintals bieten.

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