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Freisprüche im Fall Klock - Verurteilung wegen Waffenbesitz

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Das Landgericht Hanau hat entschieden. Symbolfoto: Becker
Das Landgericht Hanau hat entschieden. Symbolfoto: Becker

Hanau/Maintal. Es bleibt bei Notwehr. Es bleibt bei den Freisprüchen. Auch am Ende des zweiten Klockprozesses gelangte das Hanauer Landgericht zu der Überzeugung, Claus Pierre B. und sein Vater Klaus-Dieter hätten sich an jenem 6. Juni 2014 auf der Main River Ranch bei Dörnigheim nur zur Wehr gesetzt.

Von Dieter A. Graber

Zumindest, so viel Einschränkung muss sein, könne diese Darstellung der Angeklagten nicht widerlegt werden, betonte die Kammervorsitzende Susanne Wetzel in der eineinhalbstündigen Urteilsbegründung.

An jenem besagten Freitag waren Harry und Sieglinde Klock wie so oft auf dem Gelände ihres heruntergekommenen einstigen Pferdehofs erschienen. Sie brauchten Geld. Dringend. Über Pfingsten wollten sie in ihr spanisches Urlaubsdomizil reisen. Es ging um 450 Euro angeblicher Mietrückstände. Ihr Sohn Stefan wird später bei der Polizei und auch in der ersten Verhandlung aussagen, sein Vater habe den Betrag „mit aller Macht“ haben wollen. Diese Wortwahl dürfte nicht unwesentlich zur Meinungsbildung des Gerichts beigetragen haben. „Es liegt nahe, dass die Gewalt von Harry Klock ausging“, sagt Richterin Wetzel.

Was die Klocks, die übrigens selbst seit Jahren keine Pacht mehr an den Grundstückseigentümer gezahlt hatten, nicht ahnten: „Klaus und Claus“, wie die beiden auf dem Hof kumpelhaft und herabsetzend gleichermaßen genannt wurden, wussten inzwischen von ihrem Anwalt, dass sie überhaupt nichts mehr zu zahlen brauchten. Es lag eine Räumungsklage vor. Die schäbige Behausung ohne Wasserversorgung und Heizung war für Wohnzwecke von der Stadt Maintal auch gar nicht zugelassen.

Zunächst verbarrikadiert sich Claus Pierre B. verängstigt im Haus, öffnet dann aber, als Harry Klock droht, die Tür einzuschlagen. Sieglinde Klock taucht mit einer Axt auf. „Verräter! Ihr habt alles kaputt gemacht. Nun ist es vorbei“ ruft Klock wütend, packt ihn am Hals, drückt ihm die Luft ab, zieht dann ein Messer. Auf dem Hof haben alle immer Schneidwerkzeuge dabei. Es gibt ein Gerangel. Beide Männer krachen gegen eine Holzplatte am Hundezwinger nebenan, die zu Bruch geht. Claus Pierre B. gelingt es, dem Angreifer, der ihn in den Schwitzkasten genommen hat und dann auf ihm hockt, das Messer zu entwinden und mehrfach auf ihn einzustechen. Insgesamt 17 Stiche wird die Gerichtsmedizinerin später zählen. Nach dem fünften, vielleicht sechsten ist Klock tot.

In einer Art „Blutrausch“ habe er weitergemacht, sagte der Angeklagte später. Gutachter Ansgar Klimke sprach von einer „tiefgreifenden Bewusstseinsstörung“. Die „Übertötung“ wie Juristen so etwas nennen, also wenn eine bereits verstorbene Person weiterhin malträtiert wird, was ebenfalls ein Verbrechen ist, weil es auf die verwerfliche Intention des Täters ankommt – in diesem Fall geht die Kammer von Schuldunfähigkeit bei Claus Pierre B. aus.

Und sein Vater? Als Sieglinde Klock versuchte, mit der Axt in den Zweikampf der Männer einzugreifen, hatte Klaus-Dieter B. die Walther P.38 aus dem Haus geholt. Sie muss dort schon lange gelegen haben, irgendwo unter Farbeimern versteckt. Er habe noch „Aufhören!“ gerufen, auch versucht, Sieglinde Klock wegzuzerren. Vergeblich. Dann schoss er. Einmal. Nicht aufgesetzt, sondern aus zwei, drei Metern Abstand. Die Frau war sofort tot. Später versteckten sie die Leichen, weil sie überzeugt waren, die Polizei werde ihnen ohnehin nicht glauben. Zumindest damit hatten sie ja auch Recht . . .

„So kann es gewesen sein“, sagt die Richterin, und vieles spreche dafür – die Blutspritzer etwa – „aber möglicherweise auch ganz anders. Es fehlen Zeugen. Und wenn keine berechtigten Zweifel an den Aussagen der Angeklagten möglich sind, müssen wir ihnen Glauben schenken. In dubio pro reo.“

Diesmal herrschte bei der Urteilsverkündung Schweigen im Zuschauerraum. Keine Zwischenrufe, keine zynischen Bemerkungen wie nach dem ersten Prozess.

Ganz ungeschoren kam Klaus-Dieter B. nicht davon: Wegen Verstoß gegen das Waffengesetz – er war im Besitz der Wehrmachtspistole gewesen – wurde er zu acht Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Weil diese Strafe durch die U-Haft als verbüßt gilt, kann sie, quasi im Nachhinein, nicht zur Bewährung ausgesetzt werden.

Oberstaatsanwalt Heinze kündigte an, erneut in Revision gehen zu wollen, ebenso die Nebenkläger.

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