"Einladung an Diebe": Offen stehende Türen auf neuem Friedhof

Nein, ein ruhiger Ort ist der neue Friedhof in Dörnigheim nun wirklich nicht. Flugzeuge donnern unablässig im Doppelanflug darüber, Vogelzwitschern ist zwar vielleicht da, aber schlicht nicht zu hören.
Von David Scheck
Marion Müller bringt allerdings etwas anderes aus der Ruhe: Die Tore am seitlichen Eingang stehen nahezu immer offen, sagt die Dörnigheimerin. Das ärgert sie, sei das doch geradezu eine Einladung an Grabschmuckdiebe – und auch an pflanzenliebende Tiere.
Marion Müller geht täglich am neuen Friedhof vorbei. Mal mit ihrem Ehemann, mal mit dem Hund einer Bekannten. Und immer wieder macht sie die gleiche Beobachtung: Die beiden Torflügel des Eingangs, der sich rechts des Haupteingangs von der Otto-Hahn-Straße kommend befindet, stehen sperrangelweit offen. Als Beleg macht sie fast jedes Mal ein Foto und holt zum Beweis beim Termin vor Ort mit dem TAGESANZEIGER ihr Handy aus der Tasche.
Dass sie so oft den Weg zum Friedhof sucht, hat einen traurigen Grund: Ihr Sohn liegt dort begraben. Er starb im Dezember des vergangenen Jahres nach schwerer Krankheit mit gerade einmal 38 Jahren.
Dass es auf Friedhöfen regelmäßig zu Diebstählen kommt, ist natürlich auch Müller nicht entgangen. Passiert sei zwar noch nichts, dennoch trägt die 61-Jährige eine begründete Angst mit sich um die Dinge, mit denen sie das Grab ihres Sohnes geschmückt hat. „Das liegt da ja wie auf dem Serviertablett.“
Die in der Regel gut organisierten Grabschmuckdiebe würde ein geschlossenes Tor wahrscheinlich nicht von ihrem Tun abhalten, aber so werde ihnen der Abtransport ihrer Beute mit einem Fahrzeug ja auch noch erleichtert, findet Müller.
Aber nicht nur die möglichen Diebe, auch Friedhofsbesucher sorgen bei der Dörnigheimerin für erhöhten Puls. Denn immer wieder beobachte sie, wie einige mit ihren Pkw auf das Gelände fahren – was eigentlich nur den Friedhofsmitarbeitern, dem städtischen Betriebshof und den Bestattern erlaubt ist. Das steht auch auf einem Verbotsschild am Eingang. Doch wer achtet schon darauf, wenn das Tor so schön weit offen steht.
Müller kann mittlerweile gar nicht mehr zählen, wie oft sie sich deswegen schon an die städtische Friedhofsverwaltung gewandt hat: „Die schnaufen schon durch, wenn sie meine Stimme am Telefon hören.“ Sie ist überzeugt, dass es helfen würde, wenn die Friedhöfe in den Abendstunden abgeschlossen würden – so wie es in Frankfurt der Fall sei. Doch offizielle Öffnungs- und Schließzeiten gibt es auf Maintals Friedhöfen nicht, genauso wenig wie einen Dienst, der die Zugänge abschließt.
Nichtsdestotrotz sollten die Tore geschlossen werden, teilt uns die Stadt Maintal auf eine entsprechende Anfrage mit. „Wir werden alle Akteure nochmals daran erinnern.“ Da hilft wohl nur das Prinzip Hoffnung. Denn wie die Probe aufs Exempel beendet während des Pressetermins ein Team des Betriebshofs seine Pause und fährt mit dem Fahrzeug vom Friedhofsgelände – ohne das Tor hinter sich zu schließen. „Sehen Sie, das meine ich“, kommentiert Müller die Szene.
Die Dörnigheimerin hat sogar schon zur Selbsthilfe gegriffen und abends das Tor mit Kabelbinder zugebunden. Reste davon findet man immer noch an einem der Tore.
Was die Sache nicht einfacher macht, ist die Lage des neuen Friedhofs. Abgelegen und versteckt am Rand eines Gewerbegebiets im äußersten Osten Dörnigheims, auf drei Seiten von Wald umgeben und weit weg von Wohnbebauung ist er prädestiniert dafür, zum Ziel von Grabdieben zu werden – und für ältere und unmobile Menschen schwer zu erreichen. Im Gegensatz zu seinem Pendant, dem alten Dörnigheimer Friedhof am Backesweg. „Aber da kriegt man ja keinen Platz mehr“, sagt Möller resigniert.
Etwa zwei Meldungen von Diebstählen im Monat erreichten die Stadt Maintal, wie diese auf unsere Nachfrage mitteilt. Kontrollen würden regelmäßig durchgeführt, auch in den Abendstunden und am Wochenende.
Aber: „Eine 24-Stunden-Überwachung können wir nicht sicherstellen.“ Dies sei weder personell noch technisch sowie aus ethischen und datenschutzrechtlichen Gründen möglich. „Wir möchten aber alle Friedhofsbesucherinnen und Friedhofsbesucher darum bitten, Verdächtiges bei uns oder der Polizei zu melden“, so die Stadt.
Für Marion Müller ist das offenstehende Tor schon verdächtig genug. Sie wird sich sicher auch in Zukunft an die Empfehlung halten und genau das melden – dort, wo man sie schon an der Stimme erkennt.