Maintaler Doppelmordprozess beginnt von vorne

Diesmal ist es nicht das Schwurgericht in Hanau. Diesmal wird der spektakuläre Fall vor dem Schwurgericht in Frankfurt verhandelt: Zum dritten Mal beginnt am Donnerstag, 22. April, das Verfahren um den mutmaßlichen Doppelmord auf dem Gelände der damals heruntergekommenen „Main River Ranch“ in Maintal-Dörnigheim.
Maintal/Frankfurt - Erneut ist nun die Staatsanwaltschaft am Zug, denn sie hält die Bluttat weiterhin für einen Mord oder Totschlag. Das Besondere an diesem Fall ist, dass der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe gleich zweimal die Hanauer Urteile komplett aufgehoben und jeweils komplett neue Hauptverhandlungen angeordnet hat (wir berichteten).
Nach den zwei erfolgreichen Revisionen haben die höchsten Deutschen Strafrichter den Prozess nun dem Frankfurter Schwurgericht zugeteilt. Dort wird der Vorsitzende Richter Volker Kaiser-Klan die Hauptverhandlung leiten. Es könnte erneut ein Mammutverfahren werden, denn der Prozess ist bereits bis in den September hinein terminiert worden. Auch bei der dritten Auflage des Prozesses müssen alle vorhandenen Zeugen erneut vernommen werden.
BGH-Richter kippen zwei Hanauer Freisprüche
Im Mittelpunkt steht das Geschehen am 6. Juni 2014 am Dörnigheimer Mainufer – für das es jedoch keinerlei Augenzeugen gibt. Denn Harry und Sieglinde K., die Besitzer des Anwesens, blieben lange verschwunden. Sie waren zunächst als vermisst gemeldet worden. Die Polizei fahndete monatelang öffentlich nach dem Ehepaar – ohne Erfolg.
Erst dann gerieten Klaus-Dieter B. und sein Sohn Claus Pierre ins Visier der Ermittler. Beide hatten das Gelände von dem Ehepaar gepachtet. Eine Kündigung stand ihnen ins Haus, die Stadt Maintal wollte das Gelände räumen. Die offenbar nicht besonders gründliche wochenlange Suche nach dem vermissten Paar endet, als sich Klaus-Dieter B. schließlich über einen Anwalt meldet und vernommen wird. Er führt die Beamten zum Fundort der beiden Leichen: Sie liegen rund vier Monate, von den Suchtrupps der Polizei unentdeckt, auf dem Ranch-Gelände – unter einem Misthaufen.
Die beiden Angeklagten, der heute 66 Jahre alte Vater und dessen Sohn (36) ,sollen zunächst den Ehemann erstochen, kurz darauf die Ehefrau erschossen haben. In beiden Prozessen vor dem Hanauer Landgericht blieb auch kein Zweifel daran, dass Claus Pierre B. und Klaus-Dieter B. die Taten begangen haben. Der Vater hatte das auch über eine Erklärung seines Verteidigers ausgesagt. Die Richter beider Hanauer Kammern gingen allerdings davon aus, dass eine Notwehrsituation nicht ausgeschlossen werden könne und sprachen die beiden Männer frei. So seien die Angeklagten möglicherweise mit einem Messer und einem Beil von den später Getöteten bedroht worden.

Notwehr oder vorsätzliche Tötung?
Landgerichtspräsidentin Susanne Wetzel kommt 2018 im Urteil zu dem Schluss, dass das Ehepaar K. die Pacht von 450 Euro habe eintreiben wollen und stellte in der Urteilsbegründung fest: „Es liegt nahe, dass die Gewalt von Harry K. ausging.“ Der Bundesgerichtshof (BGH) hob beide Freisprüche vollständig auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung jetzt nach Frankfurt.
Die Staatsanwaltschaft Hanau, deren Vertreter Oberstaatsanwalt Jürgen Heinze in beiden Prozessen lebenslange Haft für den Vater sowie siebeneinhalb Jahre Haft für den Sohn gefordert hatte, sowie die Rechtsanwälte der Nebenkläger hatten Revision eingelegt. Heinze wird den Fall für die Anklagebehörde nun auch vor dem Frankfurter Landgericht vertreten.

Das Ziel hatte Heinze bereits im vergangenen Jahr erläutert: „Wir sind der Auffassung, dass der Fall an ein anderes Landgericht in einem anderen Gerichtsbezirk verwiesen werden sollte.“ Die Staatsanwaltschaft wird sich dabei vor allem auf die Revisionsbegründung der BGH-Richter stützen, die unserer Zeitung vorliegt. Darin heißt es zu dem Urteil der 2. Kammer vom März 2018, dass die „Beweiswürdigung durchgreifend rechtsfehlerhaft“ gewesen sei.
Neuer Prozess könnte bis September andauern
Denn die Kammer habe sich auf die Einlassungen der beiden Angeklagten gestützt, die durch die Verteidiger vorgetragen worden waren. Der Senat, der „weitere Rechtsfehler“ bemängelt, weist darauf hin, dass es „Lücken“ und auch Umstände gebe, die „gegen die Glaubhaftigkeit der Einlassungen sprechen“. Daher sei auch eine ganz andere Beweiswürdigung denkbar, stellen die Karlsruher Richter fest. (Von Thorsten Becker)