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Nach Tankstellen-Explosion: Hammersbacher Delegation in Kirgisien

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Willkommene Gäste: Hammersbachs Gemeindebrandinspektor Jens Eyrich und Bürgermeister Michael Göllner (von rechts) zu Besuch in der neuen Wohnung der Familie in der kirgisischen Hauptstadt Bischkek.
Willkommene Gäste: Hammersbachs Gemeindebrandinspektor Jens Eyrich und Bürgermeister Michael Göllner (von rechts) zu Besuch in der neuen Wohnung der Familie in der kirgisischen Hauptstadt Bischkek. © PM

Bei einem Unfall am 17. Januar 2022 starb ein Lkw-Fahrer aus Kirgisien bei einer Explosion auf der Tank- und Raststätte Langen-Bergheim. Eine Spendenaktion für die Familie des hatte 90.000 Euro erbracht. Eine Delegation aus Hammersbach besuchte nun die Familie erneut - und machte eine erfreuliche Feststellung.

Hammersbach – Wenn Anara von ihrem tödlich verunglückten Mann Aibek spricht, kommen ihr die Tränen. Doch dann schaut sie wieder in die Gegenwart, wo sie sich eine neue Existenz aufgebaut hat und sehr dankbar ist für die Hilfe, die sie aus Deutschland bekommen hat.

Bei dem Unfall am 17. Januar 2022 fuhr ein 61 Jahre alter Mann aus dem Landkreis Offenbach in die Tankstelle auf der Raststätte Langen-Bergheim Ost. Der Unfallverursacher und Aibek, der an diesem Tag mit seinem Lkw zufällig dort Halt machte, kamen ums Leben. Eine Spendenaktion für die Familie des kirgisischen Lkw-Fahrers hatte 90.000 Euro erbracht. Die junge Mutter und ihre vier Kinder im Alter von 7 bis 14 Jahren leben in der kirgisischen Hauptstadt Bischkek. Ihr Mann war, wie über eine Million Kirgisen, im Ausland unterwegs, um den Lebensunterhalt für die sechsköpfige Familie zu verdienen.

„Wie es in dem Land üblich ist, hält die Großfamilie zusammen und jeder hat seine Rolle“, berichtet nun die Gemeinde Hammersbach von einem erneuten Besuch von Bürgermeister Michael Göllner und Gemeindebrandinspektor Jens Eyrich in dem zentralasiatischen Land. Die Hammerbacher Feuerwehr war seinerzeit bei dem tragischen Unglück vor Ort und fand den Leichnam unter den Trümmern. Dieses tragische Schicksal hatte viele Menschen tief berührt.

Bereits im vergangenen Jahr hatten Göllner, Eyrich und Verwaltungsmitarbeiter Tobias Lenz die Familie mit Unterstützung durch die deutsche Botschaft vor Ort besucht, um sich ein eigenes Bild von der Not der Familie und den Lebensumständen in Kirgisien machen. Etwas mehr als die Hälfte der Spendengelder wurde verwendet, damit sich die Familie eine Wohnung in der Hauptstadt kaufen konnte. Im September hatte die Witwe dann den Wunsch geäußert, für den Lebensunterhalt ihrer Familie selbst zu sorgen. Sie wollte wieder als Näherin arbeiten. Dazu benötigte sie eine entsprechende Ausstattung. Nach einigen Telefonaten wurde dafür ein weiterer bescheidener, aber angemessener Betrag überwiesen.

Wie Göllner und Eyrich nun sehen konnten, fühlt sich die Familie sehr wohl in der neuen Wohnung. „Diese verfügt über ein Wohnzimmer mit integrierter Küche und ein echtes Badezimmer“, berichtet die Gemeinde Hammersbach. „Die Ausstattung ist für uns normal, aber für Anaras Familie ein echter Quantensprung im Vergleich zum bisherigen Haus. Die Witwe schläft mit ihren Töchtern in einem Zimmer und der Sohn hat ein eigenes Zimmer für sich. Für deutsche Verhältnisse mag dies sehr beengt erscheinen, doch vor Ort sind dies angemessene Verhältnisse.“

In Erwartung, dass Anara in Heimarbeit kleine Näharbeiten verrichtet, waren die Besucher, begleitet vom stellvertretenden Botschafter David Westenfelder, gespannt auf ihre beruflichen Aktivitäten und fragten nach der Nähmaschine. „Was daraufhin berichtet wurde, übertraf alle Erwartungen“, so die Mitteilung weiter. „Mit den überwiesenen 3000 Euro hat die Witwe eine kleine Näherei gegründet. In den Räumlichkeiten der alten Wohnung im Vorort Sokuluk arbeiten mittlerweile acht Personen.“

In der Näherei machen sich die Besucher aus Hammersbach ein Bild vom erfolgreichen Einsatz der Spendengelder.
In der Näherei machen sich die Besucher aus Hammersbach ein Bild vom erfolgreichen Einsatz der Spendengelder. © PM

Als Subunternehmerin für eine kirgisische Kleiderfabrik erhalte die Frau Stoffe und Schnitte, aus denen sie mit ihren Mitarbeitern Pullover schneidert und verpackt. Während sich die Mutter um das Geschäft kümmert, versorgt die Großmutter die Kinder. „Anara hat sich ganz offensichtlich erfolgreich selbstständig gemacht“, freuen sich Göllner und Eyrich. „Ohne die Hilfe aus Deutschland hätte sie kaum eine selbstbestimmte Zukunft gehabt. Sie wäre sicherlich auf irgendeine Art und Weise vom großen Familienverband aufgefangen worden, aber ihre Zukunft wäre kaum selbstbestimmt gewesen. Zwar steht der Familienverband ihr auch heute noch zur Seite, doch Anara ist zu einer selbstbewussten jungen Unternehmerin geworden.“

Doch wie geht es nun weiter? Das alte Haus, in dem die Näherei untergebracht ist, wurde ihr laut Bericht von einem Verwandten überschrieben, ist aber in keinem guten Zustand. Göllner habe sie darum gebeten, die dringendsten Arbeiten zu benennen, um das Haus winterfest instand zu setzen.

„Eine Herzensangelegenheit ist der Gesundheitszustand der ältesten Tochter. Seit Jahren ist das Mädchen durch einen Schaden am Trommelfell gehandicapt. Im kirgisischen Gesundheitssystem bietet sich dafür keine Lösung. Aber die Schwester des Verunglückten wohnt in der Türkei, und dort könnte das Mädchen ohne Visum einreisen und eine Operation bekommen.“ Göllner habe die Mutter gebeten, dies unbedingt anzugehen.

Es warten also noch einige Aufgaben, und glücklicherweise sei auch noch Geld vorhanden, so der Bericht. Für das nächste Jahr ist wieder ein Besuch geplant. Die Dolmetscherin der deutschen Botschaft habe es so zusammengefasst: „Es ist eine wirkliche Erfolgsgeschichte, die die starke junge Frau schreibt. Wir erleben hier etwas, was man leider nicht oft sieht. Hilfe, die von Herzen kommt, wird dankbar aufgenommen, kommt wirklich an und zeigt Wirkung.“ (Jan-Otto Weber)

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