Zoff um Großprojekt der Dietz AG: Bürgermeister und Landrat loben umstrittenes Projekt

Beim Richtfest der Logistikhalle im Gewerbegebiet Limes in Hammersbach halten Gegner des Projekts eine Mahnwache ab.
Hammersbach - Unterschiedlicher hätte die Bewertung des Richtfests der dritten Logistikhalle im Interkommunalen Gewerbegebiet Limes am Dienstag (24. Mai) nicht ausfallen können: Während in der Halle vor geladenen Gästen mit dem Richtspruch ein „Tag der Freude“ ausgerufen wurde, trugen die Gegner des Projekts unmittelbar vor der Baustelle, auf einem noch übrig gebliebenen Grünstreifen eines Eigentümers, der sich gegen die Umlegung seines Grundstücks wehrt, bei einer Mahnwache symbolisch einen Sarg zu Grabe.
200. 000 Tonnen wertvollen Bodens, der über 7000 Jahre lang Menschen ernährt und Wasser gespeichert sowie CO2 gebunden und als Lebensraum für über 2000 Arten Kleinstlebewesen sowie zahlreiche andere Arten gedient habe, sei unwiederbringlich zerstört, so die Auflistung von BUND und Bürgerinitiative Schatzboden, die gemeinsam zur Mahnwache aufgerufen hatten. Etwa 30 Teilnehmer waren am Dienstagvormittag dem Aufruf gefolgt, darunter Mitglieder der Grünen Hammersbach und auch Teilnehmer aus Kirchenkreisen. Der Synodalvorstand im Dekanat Büdinger Land und der Kirchenvorstand Langen-Bergheim hatten sich schon vor längerer Zeit kritisch zum Flächenverbrauch geäußert.
Hammersbach: Mahnwache von BUND und Grünen gegen Gewerbegebiet in Limes

„Wenn nicht hier, wo denn dann?“, zitierte hingegen Dr. Wolfgang Dietz, Vorstandsvorsitzender des Investors Dietz AG, in seiner Rede den Ausspruch eines Zweckverbandsvertreters. Die Landesregierung selbst habe unter grüner Beteiligung vorgegeben, solche Flächen an Autobahnen zu bündeln. „Die Logistik steht für Daseinsfürsorge“, so Dietz. „Nur so lassen sich die Bedürfnisse und Wünsche der Menschen befriedigen.“ Im Fall der Halle 3 komme noch hinzu, dass es sich beim künftigen Mieter Hager Group um ein familiengeführtes mittelständisches Unternehmen handele, das durch seine Produkte und Dienstleistungen im Bereich elektrotechnische Installationen in Wohn-, Industrie- und Gewerbeimmobilien wesentlich zur Energieeffizienz und dem Gelingen der Energiewende beitrage.
Richtfest für Logistik-Halle der Dietz AG: Dietz räumt Fehler bei Vermietung von Halle 1 ein
Das Gebäude selbst sei ebenfalls nachhaltig geplant: mit 86 Prozent oder 25.000 Quadratmeter begrünter Dachfläche, einer Photovoltaik-Anlage von einem Megawatt Leistung, einer Luftwärmepumpe und einem Energiemonitoring zur Verbrauchsoptimierung. „Mehr geht heutzutage wirklich nicht mehr“, so Dietz.
Allerdings räumte er in Anspielung auf die hohe Verkehrsfrequenz und die Irrfahrten von Lkw durch umliegende Ortschaften auch den „ein oder anderen Fehler“ bei der Erstvermietung der Halle 1 ein. Die Hager Group werde mit ihrer reinen Betriebslogistik nur zehn Prozent des bisherigen Verkehrsaufkommens haben, versprach Dietz. Das Unternehmen selbst nannte auf Nachfrage unserer Zeitung 30 Lkw-Ein- und 30 Ausfahrten am Tag unter Volllast ab Sommer kommenden Jahres.
Als „in Deutschland einmalig“ bezeichnete Dietz, dass „überambitionierte kommunalpolitische Kräfte“ gegen den eigenen Bürgermeister klagten und juristisch gegen „im politischen Konsens getroffene Entscheidungen“ vorgingen. „Der Jurist würde sagen: Das ist Aufruf zum Vertragsbruch“, so der Investor unter Applaus.
Bürgermeister von Hammerbach Michael Göllner (SPD) lobt umstrittenes Projekt
Zweckverbandsvorsitzender und Hammersbachs Bürgermeister Michael Göllner (SPD) dankte in diesem Zusammenhang besonders denjenigen Vertretern der Zweckverbandsversammlung, die trotz aller Widerstände Verlässlichkeit und Vertragstreue bewiesen hätten. Die politischen Vertreter der drei beteiligten Kommunen hätten 2011 zur Gründung des ZWIGL klar beschlossen, dass sie ihr Planungsrecht an den Zweckverband abtreten würden, so Göllner unter Berufung auf die damalige Beschlussvorlage. Die Landesplanung bezeichne das Projekt als vorbildlich.

In Zeiten mangelnder Nachfrage und fragwürdiger Angebote sei die Dietz AG der einzige Investor gewesen, der seine Zusagen immer gehalten habe. Deshalb habe sie 2015 die Zusage zur weiteren Entwicklung bekommen, deshalb sei 2016 die Westerweiterung beschlossen worden, immer getragen von der Mehrheit in der Verbandsversammlung. Darauf, dass der Beschluss zur Westerweiterung nicht einstimmig gefasst wurde, wie in den Klagen von BUND und Hammersbacher Gemeindevertretung moniert, ging er nicht ein.
„Wir haben auch immer versucht, Brücken zu schlagen“, erklärte Göllner stattdessen. „Vor zehn Jahren galten Auflagen wie Photovoltaik noch als Investitionshemmnis. Jetzt sagen wir, die Osterweiterung machen wir anders. Da hätte ich mir ein aufeinander Zugehen gewünscht anstatt Beschimpfungen.“
Standort Hammersbach: Göllner appelliert an Firmen zu gutem Umgang mit Mitarbeitern
Doch Göllner stellte mit Blick auf die Erfahrungen mit der Erstvermietung der Halle 1 an ID Logistics auch klare Erwartungen an die Firmen im Gewerbegebiet, „für die wir durchs Feuer gegangen sind“. „Bekennen Sie sich zum Standort Hammersbach und dazu, ihre Mitarbeiter anständig zu behandeln und zu bezahlen und ebenso, ihre Steuern nicht nur am Firmensitz, sondern auch hier abzuführen“, appellierte Göllner. Und an Wolfgang Dietz gerichtet: „Vielleicht kann man auch nachträglich noch etwas an den bestehenden Hallen mit Begrünung und Fotovoltaik machen, um den Gegnern den Wind aus den Segeln zu nehmen.“
Für Hager-Geschäftsführer Torsten Schulz kam der doch deutliche Appell Göllners an die Unternehmen offenbar unvermittelt. „Mit so viel kollegialer Wärme und Insider-Wissen kann ich noch nicht dienen. Aber wir versuchen, uns einzuplacken.“

Wie zum Nachweis der Integrität des Familienunternehmens mit Sitz im saarländischen Blieskastel und in Straßburg präsentierte Schulz einige Zahlen: Allein in den zurückliegenden drei Jahren sei der Umsatz um eine halbe Milliarde auf heute über zweieinhalb Milliarden Euro gestiegen, die von 12 000 Mitarbeitern weltweit, davon 3400 in Deutschland, erwirtschaftet würden. In Hammersbach entstehe der größte firmeneigene Logistikstandort mit 200 neuen Arbeitsplätzen. Dadurch frei werdende Flächen an anderen Standorten würden dringend für den Ausbau der Produktion benötigt, bisherige Mitarbeiter an den Standorten entsprechend umgeschult. Von Hammersbach aus sollen Handel und Kunden in Deutschland, Österreich, den Niederlanden und Luxemburg beliefert werden. Für Januar 2023 ist der Betriebsstart in der neuen Halle geplant, im Sommer soll die Volllast erreicht werden.
Wetteraukreis: Landrat Weckler nennt umstrittenes Projekt in Hammersbach vorbildlich
Der Landrat des Wetteraukreises Jan Weckler (CDU) – Main-Kinzig-Kreis-Landrat Thorsten Stolz (SPD) war terminlich verhindert – lobte die Kooperation der Kommunen über die Kreisgrenze hinweg und direkt an der Autobahn als zukunftsweisend. Auch wenn solche Projekte legitime und notwendige Diskussionen auslösten, so müsse man sich der gesellschaftlichen Realität der Nachfrage im Online-Handel und der Logistikanforderungen stellen.
IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Gunther Quidde verwies als letzter Redner auf die „sensationell niedrige Arbeitslosigkeit“ in Hammersbach, lobte die nachhaltige Gebäudetechnik sowie das Durchhaltevermögen der Politik bei dem Projekt und schloss sich Göllners Appell an die Unternehmen an: „Suchen Sie den Kontakt zu den Kommunen und den Bürgern. Auch Kommunikation ist ein Standortfaktor.“ (Jan-Otto Weber)
Hammersbach: Koalition will Widerspruch des Bürgermeisters gegen Beschlüsse zur „Westerweiterung“ aufheben.