1. Startseite
  2. Region
  3. Hammersbach

Hammersbach: Anwalt erläutert im Ausschuss Stand im VGH-Verfahren gegen „Westerweiterung“

Erstellt:

Von: Jan-Otto Weber

Zwei Tage vor dem Richtfest ist das Dach der ersten beiden Felder der dritten Logistikhalle des Investors Dietz AG im Interkommunalen Gewerbegebiet Limes bereits geschlossen. Die Halle soll noch bis zur Größe der benachbarten Halle 2 anwachsen. Dem Umlegungsverfahren stellt sich jedoch der Eigentümer des noch liegen gebliebenen Grünstreifens entgegen. In ihrem gemeinsamen Aufruf zur Mahnwache am Dienstag hatten BUND und Bürgerinitiative Schatzboden geschrieben: „Wir fordern den sofortigen Stopp der Bautätigkeiten und darauf folgend ihren Abriss!“
Am 24. Mai 2022 fand das Richtfest für die dritte Logistikhalle des Investors Dietz AG im Interkommunalen Gewerbegebiet Limes statt. Das Planverfahren wird vom BUND und der Gemeindevertretung Hammersbach beklagt. Auch der Grundstückseigentümer des Grünstreifens wehrt sich gegen die Zwangsumlegung. © Axel Häsler

Viel wurde in den letzten Tagen in Leserbriefen und Pressemitteilungen zum jüngsten Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in Kassel zur „Westerweiterung“ im Interkommunalen Gewerbegebiet Limes geschrieben und kommentiert. Eine sachliche Ausschusssitzung in Hammersbach sollte nun Licht ins Dunkel bringen.

Hammersbach – Zuletzt war beispielsweise die Frage aufgekommen, inwieweit der Investor Dietz AG Schadensersatzansprüche gegenüber der Gemeinde oder dem Zweckverband durchsetzen könnte, falls der zurzeit ausgesetzte Bebauungsplan für die „Westerweiterung“ und darauf basierend die Baugenehmigung für die dritte Logistikhalle gerichtlich gekippt würden. Der Hammersbacher Bau- und Planungsausschuss hatte nun für Mittwochabend den von der Gemeinde beauftragten Hanauer Rechtsanwalt Thomas Eichhorn zu einer Sondersitzung in den Bürgertreff Langen-Bergheim eingeladen, um über den Stand in dem Normenkontrollverfahren zu berichten.

„Angemessen und verständlich“ fand SPD-Fraktionsvorsitzender Wilhelm Dietzel (rechts) die Ausführungen von Rechtsanwalt Thomas Eichhorn.
„Angemessen und verständlich“ fand SPD-Fraktionsvorsitzender Wilhelm Dietzel (rechts) die Ausführungen von Rechtsanwalt Thomas Eichhorn. © Jan-Otto Weber

Dieses war am 21. September 2021 mit den Stimmen von CDU und Grünen in der Gemeindevertretung auf den Weg gebracht worden. Die Gemeinde solle sich mit allen möglichen Rechtsmitteln gegen den Bebauungsplan des Zweckverbands zur Westerweiterung wehren, so der damalige Beschluss. Eichhorn schilderte den Ausschussmitgliedern und den etwa 40 Zuhörern zu Beginn den Wettlauf zwischen dem Bebauungsplanverfahren und den juristischen Eingaben dagegen. Trotz bekannter Zweifel an der Rechtmäßigkeit des B-Plans, habe der Investor „ziemlich zügig gebaut, um Fakten zu schaffen“, so Eichhorn. Bis im Eilverfahren die Aussetzung des B-Plans verfügt wurde, habe zumindest die Außenhülle der dritten Halle zu zwei Dritteln der geplanten Länge fertiggestellt werden können.

Juristische Entscheidungen bislang alle gegen B-Plan

Alle juristischen Entscheidungen, die sich bislang mit der Gebietserweiterung und dem Bebauungsplan befasst hätten, würden diesen als rechtswidrig einordnen, so Eichhorn. Ursächlich sei, dass die Planungshoheit für das Gebiet im September 2016 höchstwahrscheinlich nicht wirksam auf den Zweckverband übertragen wurde, da die Abstimmung – anders als in der Verbandssatzung gefordert – nicht einstimmig erfolgte. Der Zweckverband habe demnach als sachlich unzuständige Behörde gehandelt. „Die Planungshoheit oblag und obliegt damit der Gemeinde Hammersbach, soweit die Entscheidung in der Hauptsache bestätigt wird“, so Eichhorn. Diese Entscheidung werde in der Hauptsacheverhandlung am 19. Januar 2023 vor dem VGH gefällt.

Zudem sei die Gemeinde Hammersbach vor Beschlussfassung der Satzung zum B-Plan durch die Zweckverbandsversammlung im Oktober 2021 nicht noch einmal angehört worden. Diese Missachtung des „qualifizierten Beteiligungsrechts“ sei „ein ganz erheblicher Verfahrensfehler“. „Es wurde der Gemeinde Hammersbach die Chance genommen, ihre inhaltliche Kritik am Bebauungsplan noch einmal vorzutragen“, so Eichhorn. „Diese Kritik an dem Bebauungsplan hätte die formellen und inhaltlichen Fehler aufgegriffen. Über diese Stellungnahme der Gemeinde Hammersbach hätte der Zweckverband nicht ohne Weiteres hinweggehen dürfen, sondern wäre gehalten gewesen, dies noch einmal eingehend zu überprüfen.“

Zweckverband hätte Einwände prüfen müssen

Darüber hinaus hätte der Zweckverbandsvorstand in Kenntnis dieses Fehlers niemals den Bebauungsplan vorantreiben dürfen, da der Vorstand zu diesem Zeitpunkt schon Kenntnis von der satzungswidrigen Erweiterung hatte, führte Eichhorn am Mittwochabend weiter aus. „Der Zweckverbandsvorstand wäre zudem verpflichtet gewesen, den Mitgliedern der Zweckverbandsversammlung die rechtlichen Konsequenzen aufzuzeigen, gerade im Hinblick auf die erkennbare Fehlerhaftigkeit der Gebietserweiterung.“

Im November 2021 starteten auf Grundlage einer Teilbaugenehmigung die Arbeiten für die dritte Logistikhalle der Dietz AG.
Im November 2021 starteten auf Grundlage einer Teilbaugenehmigung die Arbeiten für die dritte Logistikhalle der Dietz AG. © Privat

Hammersbachs Bürgermeister und Zweckverbandsvorsitzender Michael Göllner (SPD) sagte dazu am Mittwoch, dass sowohl der Satzungsbeschluss 2016 als auch das B-Planverfahren juristisch begleitet worden seien. Zudem habe es auf dem Weg dahin zahlreiche politische Beschlüsse in den Gemeinden und der Zweckverbandsversammlung gegeben. „Die Verbandsversammlung hatte ein klares Ziel, nämlich die Ansiedlung der Firma Hager“, so Göllner. „Wir hatten ein genehmigtes Verfahren.“

CDU-Fraktionsvorsitzender Alexander Kovacsek entgegnete: „Der zentrale Vorwurf ist nicht, dass 2016 niemandem der Fehler im Satzungsbeschluss aufgefallen ist, sondern, dass der Zweckverband zum Offenlagebeschluss im Juli 2021 in Kenntnis dieses Fehlers weitergemacht hat, als wäre nichts geschehen.“ Eichhorn sagte, im Herbst 2021 sei es für ein juristisches Gutachten oder eine Risikoabschätzung nicht zu spät gewesen. „Als Anwalt hätte ich Ihnen nicht empfohlen, so weiterzumachen. So haben Sie einen Fehler gemacht. Und für Fehler muss man im Leben gerade stehen.“

VGH-Verhandlung am 19. Januar 2023

„Doch wie geht es nun weiter?“, wollte nicht nur SPD-Fraktionschef Wilhelm Dietzel wissen. Falls der VGH im Januar gegen den Zweckverband entscheide, könne dieser – falls zugelassen – Revision beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einlegen oder – falls vom VGH nicht zugelassen – eine Nichtzulassungsbeschwerde einreichen, erläuterte Eichhorn. Sollte am Ende der Instanzen der Bebauungsplan zurückgenommen werden, sei die Bauaufsichtsbehörde des Main-Kinzig-Kreises „zur Wiederherstellung einer rechtmäßigen Ordnung“ verpflichtet und müsse auch die dadurch rechtswidrig gewordenen Baugenehmigungen zurücknehmen. Der VGH habe bereits klargemacht, dass in diesem Fall kein Bestandsschutz für die dritte Halle bestehe. „Die Chancen, die Halle zurückbauen zu lassen, wenn man das will, stehen recht gut“, so Eichhorn. „Die Gemeinde hätte dann ihre Planungshoheit zurück. Das kann aber Jahre dauern.“

Auch zu Schadensersatzansprüchen des Investors Dietz AG – in Presseberichten waren rund 50 Million Euro genannt worden – äußerte sich Eichhorn. „Dass der Investor in diesem Zusammenhang den Main-Kinzig-Kreis als Baugenehmigungsbehörde nicht erwähnt, liegt unter anderem daran, dass er bei Erteilung der ersten Teilbaugenehmigung mit dem Main-Kinzig-Kreis einen Haftungsausschluss vereinbart hatte“, erklärte Eichhorn unter Berufung auf Akteneinsicht. Schadensersatzansprüche gegenüber der Gemeinde Hammersbach als diejenige, die das ihr zustehende Recht der Planungshoheit geltend mache, würden grundsätzlich ausscheiden.

Anwalt sieht „erhebliches Mitverschulden“ des Investors

„Ein Schadensersatzanspruch gegenüber dem Zweckverband setzt voraus, dass eine schuldhafte Amtspflichtverletzung einem der dort Handelnden zugewiesen werden kann“, erklärte der Anwalt. „Ob dies im Einzelfall hier Aussicht auf Erfolg hat, kann ich aufgrund fehlender Sachkenntnis bezüglich der einzelnen Handlungen insbesondere des Vorstandes des Zweckverbandes nicht abschließend beantworten. Allerdings muss sich der Investor aufgrund seiner fortgesetzten Bautätigkeit in Kenntnis der Widersprüche gegen die erteilten Baugenehmigungen einerseits und dem ihm bekannten Normenkontrollklageverfahren der Gemeinde Hammersbach mit dem Ziel der Unwirksamkeitserklärung des Bebauungsplanes andererseits ein erhebliches Mitverschulden anrechnen lassen“, meinte Eichhorn.

Angesichts des auf Jahre drohenden Stillstands im Interkommunalen Gewerbegebiet Limes, von dem auch die kleineren Flächen betroffen sind, meinte Michael Göllner: „Wir sollten das Ganze mal runterdampfen und gemeinsam sehen, wie man jetzt weitermachen kann.“ (Von Jan-Otto Weber)

Auch interessant