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Hilfe für die Schutzlosesten

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Von: Monica Bielesch

Einen Kleinbus mit Medikamenten hat Arkadin Strimlin gerade wieder in Richtung Ukraine geschickt. Zurück sollen 30 Waisenkinder gebracht werden.
Einen Kleinbus mit Medikamenten hat Arkadin Strimlin gerade wieder in Richtung Ukraine geschickt. Zurück sollen 30 Waisenkinder in den Main-Kinzig-Kreis gebracht werden. © Privat

Arkadin Strimlin lebt seit über 25 Jahren in Deutschland, seit knapp sechs in Erlensee. Ursprünglich kommt er aus der Ukraine, ist in der Nähe von Kiew geboren. „Ich bin ein Mann der Tat“, sagt er am Telefon. Darum konnte der Erlenseer nicht zusehen, als seine Heimat von Putins Armee mit Krieg überzogen wurde.

Erlensee – Der Unternehmer, der über einen Online-Shop Schmuck und Accessoires vertreibt, organisiert aktuell den Transport von dringend benötigten Medikamenten in die Ukraine. In diesen Tagen gelten seine Gedanken aber besonders einer Gruppe von rund 30 Waisenkindern, die er versucht, aus den Kriegsgebieten in den Main-Kinzig-Kreis zu holen. „Die Kinder sind aus Kiew evakuiert worden, die Lage ist katastrophal, alle Erzieherinnen sind mit ihren eigenen Familien geflohen, nur eine Person ist bei den Kindern geblieben“, berichtet Strimlin, der in Sambir nahe Lemberg geboren ist. „Meine Schulkameraden, meine Familie, Onkel, Tanten, Cousins leben dort.“

Viele Familien fliehen, aber was passiert mit den Waisenkindern?

Der Anstoß, sich überhaupt um die Waisenkinder zu kümmern kam ursprünglich von Daniel Schneider, einer der Verantwortlichen von der Ukraine-Hilfsaktion „Vier Jungs“ für die auch in Erlensee gesammelt worden ist. Weil die meisten Flüchtlinge Frauen mit ihren Kindern sind, fragte Schneider sich, was mit den Kindern ist, die niemanden haben, keine Familie, die sich um sie kümmert: die Waisenkinder. Mit diesem Gedanken ging er auf seinen Freund Arkadin Strimlin zu. „Weil ich selbst Papa bin“, so Schneider zu den Motiven seines Engagements insbesondere für Kinder und Familien aus den Kriegsgebieten.

Strimlin, dessen Familie mittlerweile überwiegend nach Deutschland geflohen ist, suchte sofort Kontakt zu einem Waisenhaus in Kiew. Schneider und er holten auch schon Verantwortliche aus dem Main-Kinzig-Kreis ins Boot. Damit die Waisenkinder, wenn sie im MKK ankommen, eine angemessene Unterbringung und Betreuung bekommen. Sie führten Gespräche mit dem Jugendamt des Kreises, mit der Kreisbeigeordneten Susanne Simmler (SPD) und Erlensees Bürgermeister Stefan Erb (SPD).

Eigentlich sollte die Kindergruppe schon in diesen Tagen von der polnischen Grenze abgeholt worden sein. Aber aufgrund der Gefechte und der unübersichtlichen Lage verzögert sich alles, berichtet Strimlin. Der Kontakt mit der Gruppe sei sehr schwierig aufrechtzuerhalten. Teilweise bekommt er tagelang keine Nachrichten von ihnen, weil dort die Telefonnetze und das Internet ausgefallen sind. Er weiß nur, dass die Gruppe sich aktuell in der West-Ukraine aufhält, sich in Wäldern versteckt.

Strimlin erzählt von komplett zerstörten Städten. „Da sind nur noch Ruinen.“ Es sei schlimmer, als die Medien es zeigen könnten, meint er. „Zerschossene Autos, tote Menschen liegen auf den Straßen.“ Aber er hofft weiter, dass die Flucht der 30 Waisenkinder gelingen wird, Sie sollen nach Bad Orb in ein Hotel kommen, wo bereits für eine Unterbringung gesorgt ist.

Vor zwei Tagen hat Arkadin, den seine Freunde nur Arki nennen, wieder einen Medikamententransport in Richtung Ukraine geschickt.

Gruppe mit Waisenkindern muss sich verstecken

Er schickt Fotos, die die vielen gespendeten und von Spenden gekauften Medikamente zeigen, fein säuberlich verpackt und beschriftet. „Aus meiner Garage ist eine Apotheke geworden“, schreibt er dazu. Vor einigen Tagen schickte er wieder einen Kleinbus los. Die Sitzplätze sind auf der Hinfahrt an die polnisch-ukrainische Grenze mit Kisten voller Medikamente belegt, unter den Sitzen liegen Krücken. Auf dem Rückweg sollen so viele Flüchtlinge wie möglich mitgenommen werden. Dafür benutzen die vielen internationalen Helfer und die Flüchtenden eine App, die ähnlich einer Mitfahrbörse funktioniert, erzählt Strimlin. Zum Zeitpunkt des Gesprächs mit ihm, hat er die Information vom Fahrer, das der Kleinbus kurz vor der polnischen Grenze sei.

Er hofft sehr, dass die Gruppe der Waisenkinder es zum Kleinbus schafft. Wenn nicht, sollen vor allem ältere Flüchtlinge und Frauen mit Kindern gerettet werden. Dabei sollen besonders Bewohner von den zerbombten und zerstörten Städten berücksichtigt werden. Denn beispielsweise die Stadt Lemberg stehe noch nicht unter Beschuss, dort sei die Situation noch normal.

„Ich bin ein Mann der Tat“: Arkadin Strimlin will helfen.
„Ich bin ein Mann der Tat“: Arkadin Strimlin, der ursprünglich aus der Ukraine kommt, will helfen. © Privat

Strimlin war selbst bereits zweimal mit Medikamententransporten an der polnisch-ukrainischen Grenze. Er berichtet von einem großen polnischen Einkaufszentrum rund 30 Kilometer vor der Grenze, das komplett als Flüchtlingsunterkunft umfunktioniert wurde. Videos, die er schickt, zeigen eng zusammengedrängte Menschen in dem Einkaufszentrum, Schlafsäcke und das gerettete Hab und Gut der Flüchtlinge liegen auf dem Boden.

Städtische Kitas sammeln schon Spenden für die Waisenkinder

Ein Großteil seiner ukrainischen Familie ist unterdessen nach Deutschland geflohen und in Erlensee untergekommen. Die Verbundenheit zu ihrer Heimat ist auch nach der Flucht groß. „Von meiner Familie will keiner in Deutschland bleiben, alle wollen wieder zurück.“ Dass das nicht so einfach sein wird, ist ihnen klar. So erzählt Strimlin von Bekannten aus Kiew, deren Haus mit all ihrem Besitz von Bombeneinschlägen zerstört wurde.

Mit Booten müssen die Medikamente in ein abgeschnittenes Krankenhaus kommen. Die Brücken sind zerstört.
Mit Booten müssen die Medikamente in ein abgeschnittenes Krankenhaus kommen. Die Brücken sind zerstört. © Privat

Mit der Gruppe der Waisenkinder versucht er täglich in Kontakt zu treten. Aber aktuell wisse er nicht, wann und ob die Kinder es bis in den Main-Kinzig-Kreis schaffen werden, gibt er zu bedenken. Die Spenden- und Hilfsbereitschaft in Deutschland und im MKK bleibt unterdessen ungebrochen.

Die Kitas der Stadt haben die Aufgabe übernommen, die erwarteten Waisenkinder mit einer Grundausstattung willkommen zu heißen. Dafür sammeln sie Geld- und Sachspenden und werden dabei von der Verwaltung und dem Bürgermeister unterstützt (Infos siehe Kasten).

Die Freiwillige Feuerwehr habe für seine geflohenen Verwandten Spenden gesammelt, berichtet Arkadin Strimlin. Aber er will die Spenden möglichst vielen ukrainischen Flüchtlingen zukommen lassen, die im MKK Schutz gefunden haben. Das sagt ihm sein Gerechtigkeitssinn. „Diese Gerechtigkeit“, so der Erlenseer, „die hat mir Deutschland beigebracht.“

(Von Monica Bielesch)

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