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Im Wasserkraftwerk der Familie Boog-Simon liefert die Kinzig seit mehr als 60 Jahren Energie

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Von: Holger Weber-Stoppacher

Schaut immer nach dem Rechten: Karlheinz Simon blickt auf die Stelle, an der das Wasser wieder aus dem Kraftwerk austritt.
Schaut immer nach dem Rechten: Karlheinz Simon blickt auf die Stelle, an der das Wasser wieder aus dem Kraftwerk austritt. © Holger Weber-Stoppacher

In dem neuen Teil unserer Serie „Leben am Fluss" betrachten wir das Wasserkraftwerk der Familie Boog-Simon, das Strom für insgesamt 130 Haushalte produziert

Erlensee – Es gibt Dinge, die sind immer da. Zum Beispiel das Rauschen der Kinzig am Wehr in Rückingen. Und wenn der Fluss fließt, dann drehen sich auch die schweren Räder der Turbinen in dem kleinen Wasserkraftwerk. Mal schneller, mal langsamer, je nach Stärke des Stroms. In Zeiten, in denen der Wasserstand des Flusses niedrig ist, so wie jetzt, dreht sich auch nur ein einzelnes Rad. „Das war schon immer so und es wird auch hoffentlich noch lange so bleiben“, sagt Sigrid Boog-Simon, die gemeinsam mit ihrem Mann Karlheinz Simon das kleine im Familienbesitz befindliche Kraftwerk betreibt.

Seit 1961 wird an dem alten Wehr die Kraft des Wassers genutzt: zunächst für den Antrieb der nahegelegenen Mühle, seit 1961 zur Energiegewinnung. Sigrid Boog-Simon, die an dem idyllischen Ort an der Kinzig 1940 geboren wurde, hat beide Epochen erlebt. Ihr Vater, ein in Oberschlesien gebürtiger Müllermeister, hatte die Mühle in den 30er Jahren übernommen und das Mehl mit dem Namen „Kinzigstolz“ hergestellt.

Wasserkraftwerk in Erlensee produziert bis zu 400 000 Kilowattstunden Strom

1959 dann brannte die Mühle ab, seitdem wird der Ertrag der Wasserkraft in Kilowatt errechnet. Und das ist nicht wenig. Im Durchschnitt werden in Rückingen pro Jahr zwischen 350 000 und 400 000 Kilowattstunden Strom erzeugt und ins Verbundnetz eingespeist. Das entspricht, wenn man den Stromspiegel aus dem Jahr 2017 zugrunde legt, etwa dem Verbrauch von 130 Haushalten. Wenn man so will, wurde in Erlensee die Energiewende eingeläutet, bevor das Wort in den allgemeinen Sprachgebrauch Einzug hielt.

Für die Familie ist dies jedoch nicht nur ein Beitrag für eine bessere CO2-Bilanz, es ist auch eine nette Aufbesserung der Rente. Allerdings: Wenn man die Zeit, die Karlheinz Simon in dem Wasserwerk verbringt, in einen Stundenlohn umrechnete, dann würde sich wohl ein anderer Job eher lohnen. Es gehöre viel Leidenschaft und Leidensfähigkeit dazu, am Flusslauf Energie zu erzeugen. Zuletzt wurde vor allem die Leidensfähigkeit des Ehepaars geprüft, denn ein Makler, der eine nahestehende Immobilie erworben hat, lässt wegen der vermeintlichen Lärmbelastung nichts aus, um den Beiden die Turbinen des Kraftwerks madig zu machen. Doch das quirlige Ehepaar will sich nicht ins Bockshorn jagen lassen.

Nächste Generation steht für die Fortführung des Wasserkraftwerks in Erlensee bereit

Die nächste Generation steht schon in den Startlöchern, um das Kraftwerk weiterzuführen. Schon allein um der familiären Tradition willen. Wer ein Wasserkraftwerk betreibt, der muss aber auch zupacken können, weiß Karlheinz Simon, der beim Besuch des Reporters ein Poloshirt trägt, das mit einem Wappen und dem Schriftzug „Kleinwasserkraftwerk Rückingen“ bedruckt ist. Besonders nach dem Hochwasser gibt es viel zu tun, wenn das Treibgut entfernt werden muss. Aber auch die Wartung und Pflege der Turbine verlangen dem Rückinger alles ab. Früher hat er das alles selbst gemacht, heute kann er sich darauf verlassen, dass ihm Freunde zu Hilfe kommen und ihm zur Hand gehen. „Danach gibt es dann immer einen schönen Schoppen“, sagt der Rentner, der als Mitarbeiter im Wasser- und Schifffahrtsamt in Aschaffenburg zeitlebens mit dem nassen Element zu tun gehabt hat.

Aber auch sonst lebt das Ehepaar gerne an der Kinzig. Sigrid Boog-Simon liebt es, auf der Terrasse zu sitzen und auf den Fluss zu schauen und Karlheinz, ein leidenschaftlicher Angler, hält auch regelmäßig die Rute ins Wasser, selbst wenn die Zahl der Fische in der Kinzig abnehme. Nur abends, dann werde es am Ufer des Flusses schon mal bitter kalt, beklagt sich die Dame des Hauses und verzieht fröstelnd das Gesicht. Dann schaltet sie eben die Stromheizung ein wenig höher. Die Energie kommt ja schließlich von nebenan.

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