So luxuriös ist die neue Mercedes S-Klasse
Für Mercedes geht es ums Ganze. Floppt die S-Klasse, bekommen die schwäbischen Autobauer ernsthafte Probleme. Wir durften schon vor der Premiere Platz nehmen im Super-Benz. Mehr ein Butler auf vier Rädern als ein Auto.
- Die Mercedes*-Limousine reagiert auf Sprache, Gesten und sogar Berührungen
- Das Head-up-Display der neuen S-Klasse ist mit 77 Zoll so groß wie ein TV-Bildschirm
- Schluss mit Parkhaus-Stress - dieser Benz sucht sich selbst seinen Platz
Die Messlatte für die neue S-Klasse liegt hoch. Vier Millionen Luxus-Limousinen wurden seit 1972 verkauft. Von der letzten Generation allein 500.000. Das macht bei einem Mindest-Durchschnittspreis von deutlich über 100.000 Euro pro Auto rund 50 Milliarden Euro Umsatz in sieben Jahren. Kein Wunder, dass die Entwicklungsabteilung in die jeweils neueste S-Klasse auch den meisten Ehrgeiz steckt.
Neue Mercedes S-Klasse: Größerer Kühlergrill, flachere Scheinwerfer
Selbigen hätte man sich auch von den Designern gewünscht. Aber vermutlich durften sie nicht, schließlich ist die S-Klassen-Klientel eher konservativ. Vorne muss man schon zwei Mal hinschauen, um einen Unterschied zum Vorgänger festzustellen. Zwar ist der Kühlergrill größer geworden und die Scheinwerfer schmäler, was zu einem repräsentativerem Auftritt führt. Aber sonst nicht viel Neues, der Stern thront noch auf der Haube. Das Heck hat im Vergleich zum Vorgänger an Charakter verloren. Die Rücklichter richten sich nicht mehr vertikal auf, sondern sind in die Horizontale gefallen und erinnern verblüffend an den Mercedes CLS. Seitlich fallen die Türgriffe auf, weil sie nicht mehr auffallen. Sie sind versenkbar.


Lounge-Feeling mit 250 LEDs
Austoben durften sich die Kreativen im Inneren der Limousine. Tragendes und stilprägendes Element ist das breite Zier-Teil, das sich über die gesamte Front des Cockpits erstreckt und dann das komplette Fahrzeuginnere umfließt. Diese Spange, wahlweise in Jachtholz-Optik oder in Schwarz mit Alu-Intarsien, sorgt für eine Atmosphäre wie in einem futuristischen Kokon. Für Erleuchtung sorgen insgesamt 250 LEDs, die nicht nur ein gemütliches Lounge-Gefühl erzeugen, sondern auch mit dem Fahrer kommunizieren. Rotes Warnlicht leuchtet beispielsweise auf, wenn die Hand zum Türgriff geht, ein Radfahrer aber gerade im toten Winkel am Auto vorbeifährt.

Vorsicht Kamera, sie überwacht den Fahrer
Was wie von Zauberhand wirkt, ist das Ergebnis von High-Tech-Sensoren und Innenraumkameras, die den Fahrer genau beobachten. Ein Blick zum rechten Seitenspiegel genügt, schon kann man ihn mit dem Drehregler einstellen. Oder die Hand sucht im Dunklen etwas auf dem Beifahrersitz. Nicht lange, denn schnell geht ein Lichtstrahl ganz automatisch an. Das Auto hilft sogar beim Rückwärtsfahren. Gang einlegen, nach hinten blicken - schon fährt das Sonnenrollo automatisch nach unten. Schöne neue Digitalwelt. Ins System darf nur, wer einen Pin eingibt, seinen Fingerabdruck abliefert oder von der Gesichtserkennung das „go“ kriegt.
Auch interessant: Volvo XC40 Hybrid: Die doppelte Premiere
Mercedes S-Klasse: Das Auto hört mit und nimmt Anrufe entgegen
Aufgerüstet hat Mercedes auch beim sprachgesteuerten Infotainment-System MBUX. Es versteht mittlerweile bis zu 27 Sprachen und kann auch reine Wissensfragen beantworten. Und es hört mit. Denn einige Funktionen, wie das Entgegennehmen eines Anrufs, klappen ganz ohne die Zauberworte „Hey Mercedes“. Die Sprachsteuerung kann ab sofort von jedem der Sitzplätze aus aktiviert werden. Mikrofone erkennen, welche Stimme zu welchem Bildschirm gehört und reagieren entsprechend. Drei davon gibt es - und sie können jeweils getrennt voneinander arbeiten. Das heißt: Hinten rechts streamt jemand einen Film, der Passagier hinten links bedient das Navi und vorne auf dem zentralen 12,8 Zoll großen Zentralbildschirm mit gestochen scharfer OLED-Technik erscheint die aktuelle Playlist. Bildschirm Nummer vier ist ein Tablet für die Fondspassagiere. Damit kann man surfen oder sein Haus per Smart-Home-Funktion steuern: Heizung hochfahren, kontrollieren ob die Fenster zu sind oder der Kühlschrank gefüllt ist.
3-D-Tacho dank Augensteuerung
Fehlt noch Bildschirm Nummer fünf. Er ist dort, wo früher der Tacho war. Nach wie vor gibt es hier wichtige Fahrdaten. Ab sofort jedoch in 3-D, und das ganz ohne Brille. Gesteuert wird das dreidimensionale Tiefen-Effekt über die Augenkameras. Wer noch mehr Infos braucht, sollte sich das große Head-up-Display bestellen. Die Projektion auf der Frontscheibe ist so groß wie bei einem 77-Zoll-Bildschirm. Als besonderen Gag kann man sich hier bewegliche Richtungspfeile einblenden lassen, die virtuell etwa zehn Meter vor dem Auto liegen und einem genau anzeigen, in welche Straße man einbiegen soll.
Die S-Klasse lenkt, der Fahrer checkt die Mails
Autofahren wird so immer mehr die Sache des Computers. Mit der neuen S-Klasse will Mercedes als einer der ersten Hersteller autonomen Betrieb auf Level 3 anbieten. Das heißt: Auf Autobahnen kann das Auto bei Stau oder dichtem Verkehr alle wichtigen Funktionen übernehmen. Also Gas geben, bremsen, lenken, Abstand halten, sogar innerhalb der Fahrbahn ausweichen. Bis Tempo 60 hat das der deutsche Gesetzgeber erlaubt. Beim so genannten hoch automatisierten Fahren kann sich der Mensch mit anderen Dingen beschäftigen wie etwa dem Checken der E-Mails. Aber nur unter der Bedingung, dass er innerhalb von zehn Sekunden wieder die Kontrolle übernehmen kann.

Wie beim Modellauto: Einparken mit Fernbedienung bei der neuen Mercedes S-Klasse
Grundlage für diesen Drive Pilot ist zum einen hochauflösendes Kartenmaterial und die LiDAR-Technik. Genauso wie mit Radarwellen wird die Umgebung gescannt. Allerdings mit Laserstrahlen bis zu 1.000 Mal pro Sekunde. So entsteht ein realistisches 3-D-Bild der Umgebung. Auch das Parken wird automatisch. Wenn die Lücke zu klein ist, einfach vorher aussteigen und das Fahrzeug mit dem Handy steuern. Wie bei einem Modellauto. Außerdem kann man in Parkhäusern, die mit der entsprechenden Technik ausgerüstet sind, seine S-Klasse vor dem Eingang abstellen. Der Mercedes sucht sich dann selbst eine Lücke: Wenn der Fahrer zurückkommt - dann wartet die Limousine bereits vor dem Parkhaus. Gesteuert wird das Ganze von einer App.
Zwölfzylinder-Motor für den Maybach
Zum Fahren braucht die S-Klasse natürlich auch einen Motor. Zum Marktstart stehen der 3,0-Liter-Diesel-Sechsyzlinder mit wahlweise 286 oder 330 PS zur Verfügung und der ebenfalls drei Liter große Benziner mit 367 PS als S 450 und mit 435 PS als S 500 (Drehmoment 500/520 Nm). Unterstützt wird dieses Triebwerk von einem Startergenerator, der kurzfristig noch mal 22 PS und ein Drehmoment von 250 Nm auf den Vierrad-Antrieb schickt. Im nächsten Jahr kommen noch ein V-8-Motor mit Startergenerator und auch ein aufladbares Hybridmodell mit einer Elektro-Reichweite von über 100 Kilometern auf den Markt. Rein elektrisch fährt der EQS, der ebenfalls 2021 vorgestellt werden soll. Die Maybach-Variante bekommt nach wie vor den guten alten Zwölfzylinder.

Lesen Sie auch: Neuer Rolls-Royce Ghost: Nur diese beiden Teile stammen noch vom Vorgänger
19 Helfer für die Sitze - Massage eingeschlossen
Für Fahrkomfort sorgt die serienmäßige Luftfederung Airmatic, die jede Straßen-Unebenheit weg bügelt. Schon im Vorhinein, weil das System die Straßenverhältnisse per Laser und Radar erfasst. Aber nicht allein deswegen fühlt man sich in der S-Klasse wie ein König. Die Sitze verfügen über 19 kleine Motoren: Darunter acht zum Verstellen, vier für die Massage und fünf für Heizung oder Kühlung.
Wendekreis besser als beim 7er BMW
Luxus ist auch das Recht auf Stille. Leise war die S-Klasse schon immer, aber jetzt presst man die Akkustikschäume schon in die Rohkarosserie, damit sie sich während der heißen Phasen im Produktionsprozess (zum Beispiel beim Lackieren) vollends ausbreiten können. Und dann ist da noch der Wendekreis. Mit 10,9 Metern liegt die lange Limousine weit vor der Konkurrenz. Ein Siebener BMW benötigt zum Beispiel 12,3 Meter. Möglich macht das die Hinterachslenkung, die bis zu 10 Grad mitgeht.
Beim Aufprall hebt sich der Mercedes um acht Zentimeter
Maßstäbe hat die S-Klasse auch immer wieder bei der Sicherheit gesetzt. Legendär war die Einführung des Antiblockier-Systems. ABS hat heute jeder Kleinstwagen. Die neue Generation der S-Klasse glänzt mit zusätzlichen Airbags. Einem ganz neuen Schutz zwischen Fahrer- und Beifahrer und zwei weiteren Luftkissen in den Rücksitzen eingebaut, speziell für die Fonds-Passagiere. Bei einem Seitenaufprall schützt sich dieser Mercedes selbst. Innerhalb von Sekundenbruchteilen fährt die Karosserie um bis zu acht Zentimeter nach oben und reckt so dem potentiellen Unfallgegner die stärkere Unterbodenkonstruktion entgegen.

Kuschelkissen in der S-Klasse - aber beheizbar
Für Kunden, die extravaganten Luxus lieben, hat die neue S-Klasse ebenfalls einige Überraschungen parat: Die hinteren Kopfstützen können mit Kuschelkissen bestückt werden. Beheizbare – selbstverständlich. Und auch beim Sound stößt Mercedes in die nächste Dimension vor. Nämlich in die vierte! Musik ist fühlbar dank der acht Körperschallwandler, die in den Sitzen eingebaut sind. Das fühlt sich dann so an wie in der ersten Konzertreihe ganz in der Nähe der Lausprechertürme. Sattes Wummern in der Magengegend. Und wer einen Sinn für Esoterik hat, kann sich mit den so genannten „Excitern“ und der entsprechenden auch eine Klangschalen-Massage verpassen lassen. Musik-Therapie auf vier Rädern und zwei Achsen. Das ist schon eine (S-)Klasse für sich. (Rudolf Bögel) *tz.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks.
Datenblatt zum Mercedes Benz S 450 4matic langer Radstand
Hubraum | 2.999 ccm |
Leistung | 367 PS bei 5500 – 6100 U/min |
Drehmoment | 500 Nm bei 1600 – 4500 U/min |
EQ-Boost | 22 PS/250 Nm |
Länge/Breite/Höhe | 5,29/2,11/1,50 Meter |
Radstand | 3,22 Meter |
Wendekreis | 10,9 Meter |
Kofferraumvolumen | 550 Liter |
von 0 auf 100 km/h | 5,1 Sekunden |
Top-Tempo | 250 km/h |
Normverbrauch | 7,8 – 9,5 Liter |
CO2-Ausstoß | 178 – 215 g/km |
Preis (geschätzt) | knapp unter 100.000 Euro |
Weiterlesen: BMW 330i Touring im Alltagstest: Die Lust mit der Last