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Land Rover Defender 90 im Test: Der neue Landy für die Stadt

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Von: Rudolf Bögel

Land Rover Defender Fahrt durch Wasser
Bis zu 90 Zentimeter tief dürfen die Furten sein, ohne dass der Defender ins Schwimmen kommt. © Land Rover

Mit dem neuen Defender stellt Land Rover die Fans auf eine harte Probe. Der Kultwagen ist nur noch ein cooles Auto. So fährt sich die Kurzversion, der Defender 90.

Aus dem Naturburschen wird ein feiner Pinkel. Der Land Rover Defender, einst ein Gerät fürs Grobe, ist nun ein Auto, mit dem man sogar in der Stadt eine gute Figur macht. Auch ein Ausflug zur Oper ist drin, ohne dass man sich schämen muss oder als kauziger Exzentriker gilt. Das ist das kurze Fazit unseres Fahrtests mit dem Defender, Baujahr 2021. Kurz passt auch zur Karosserie. Wir hatten den Defender 90. Der Shorty mit zwei Türen und dem kastrierten Heck ist im Vergleich zum 110er nur 4,32 Meter lang und damit um fast einen halben Meter (44 cm) kürzer. Sieht komisch aus, aber man gewöhnt sich daran.

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Land Rover Defender Heck Gelände
Erklimmt fast jede Steigung. Der Defender ist auch in der neuen Version ein echter Kumpel fürs Gelände. © Land Rover

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Im Defender fühlt man sich wie in einem Truck

Erst einmal Platz nehmen. Das ist so, als ob man in einen Lkw klettert. Am besten den Griff auf der Innenseite nehmen, kurz die Beinmuskulatur anspannen, und dann reinwuchten. Das Runde muss ins Eckige – so zutreffend hat das mal ein Kollege beschrieben. Sitzt man erst einmal, wundert man sich über den üppigen Platz in der Fahrerkabine. Der Landy misst zwei Meter in der Breite – da passt sogar ein dritter Sitz vorne rein. Aber allenfalls für Notfälle, ansonsten kann man das Teil umklappen und hat somit eine angenehme Ablagefläche mehr. Auch die Übersicht ist wie in einem Lkw – man fühlt sich sofort wie ein Kapitän der Landstraße, fast auf Augenhöhe mit echten Trucks. Der Blick schweift über die kantige Motorhaube, an den Rändern haben sie geriffelte Auflagen montiert, falls der Landy als Buschtaxi in Afrika gebraucht wird, und man sich aufs Auto flüchten muss, wenn man auf einer Safari einer Löwenhorde begegnet.

Land Rover Defender Armaturenbrett
Praktisch, übersichtlich, abwaschbar. Das Cockpit-Design des neuen Defenders ist hemdsärmelig aber digital. © Land Rover

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Das Interieur: Hemdsärmelig und abwaschbar

Das Innenleben des Defenders kommt ebenfalls hemdsärmelig daher. Viel abwaschbares Gummi am Boden, viel ebenfalls in der Pflege dankbares Hartplastik im Cockpit. Aber das alles ist stimmig. Da fällt der kleine Bildschirm in der Mitte direkt auf. Hier werkelt das neue Infotainment-System von Jaguar Land Rover. Im Vergleich zum Vorgänger hat es einen Quantensprung in Sachen Bedienbarkeit hingelegt. Ohne großes Einlesen und Einüben findet man sich sofort zurecht. Sogar die oft verzweifelt gesuchte Abschaltfunktion für die nervige Navi-Stimme hat man sofort entdeckt. Einfach gut ist auch der Sprachassistent, den es selbstverständlich auch gibt im feinen Pinkel namens Defender. Auf Anhieb versteht das System die Navigationsziele. Eine echte Wohltat, wenn man das mit der Dialogfähigkeit von Wettbewerbern vergleicht, die eine mehrminütige Kommunikation erfordern, bis das System schließlich entnervt und erfolglos abschaltet. So als ob man Kisuaheli sprechen würde und nicht Deutsch.

Land Rover Defender Kofferraum geöffnet
Der Kofferraum im kurzen Defender ist überschaubar. Ungeeignet für Wochenendeinkäufe, es sei denn man klappt die Rücksitze um. © Land Rover

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Kofferraum: Mehr als zwei Getränke-Träger gehen nicht

Sechs Menschen finden auch im kastrierten Defender Platz. Sagt Land Rover. Wie das in der Praxis aussehen soll, bleibt ein Geheimnis. Schon allein wie man auf die hintere Sitzreihe gelangen soll! Eine eigene Tür gibt es ja nicht. Also Fahrer- oder Beifahrersitz ganz nach vorne fahren, den Fuß aufs (wenn vorhanden, weil Zusatzausstattung) Trittbrett stellen und dann an die letzte Zirkusvorstellung denken. Als sich die Artisten mit einer atemberaubenden Schraube um die eigene Achse drehten. Dann einfach hineinplumpsen – und ja nicht ans Aussteigen denken. Denn das ist ähnlich kompliziert. Die hintere Sitzbank lässt sich umlegen. Das braucht es auch – weil das Kofferraumvolumen noch nicht mal für den Wochenend-Einkauf geeignet ist. Zwar sind es auf dem Papier 397 Liter, was sich ausreichend anhört. Dieser Wert ergibt sich aber, wenn man bis unter die Dachkante misst. In der Realität sieht es so aus, dass man auf der geringen Grundfläche noch nicht einmal zwei Getränketräger unterbringt. Also Hintersitze umklappen, dann hat man über 1.500 Liter zur Verfügung.

Land Rover Defender Detail Heckleuchten
Cooles Licht-Design zeichnet den neuen Defender aus. Hier wird der alte Landy zitiert, die Leuchten sind eckig statt rund. © Land Rover

Land Rover Defender 90: Warum man sich die Luftfeder leisten sollte

Hilfreich ist dabei die optionale Luftfederung. Denn mit der lässt sich das Fahrzeug absenken, so dass die hohe Ladekante auch ihren Schrecken verliert. Apropos Luftfeder: Wer mit dem Gedanken spielt, sich einen Defender anzuschaffen, sollte hier nicht sparen. Das Fahren mit dieser Zusatzausstattung ist um so viel angenehmer. Kostet zwar knapp 2.800 Euro, aber das sänftenartige Gleiten auf Autobahnen und Landstraßen ist ein echter Mehrwert. Womit wir schon bei Pudels Kern sind. Wie fährt sich der neue Landy eigentlich? Überraschend einfach. Die klobige und klotzige Karosserie mit ihren stattlichen Außenmaßen vor allem in der Breite signalisiert zunächst einmal das Gegenteil. Aber hat man erst einmal den Motor angeworfen, stellt man fest, dass sich dieser Jeep (ja so nannte man früher einen SUV) locker und lässig fahren lässt – fast so wie eine Limousine. Allerdings mit besserem Überblick. Dafür sorgt die Sitzhöhe, und was den Verkehr hinten anbetrifft, der kamerabasierte Rückspiegel. Sonst würde man nur Kopfstützen sehen und das Ersatzrad, das wie ehedem an der schwenkbaren Hecktüre montiert ist.

Land Rover Defender Infotainment Bedienung
Lob gibt es für das digitale Infotainment-System. In der neuen Generation ist es logisch und selbst erkärend. © Land Rover

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Ein Wendekreis wie im Kleinwagen

In den Kurven verhält sich der Defender gutmütig. Trotz der elektronischen Helfer merkt man die ein oder andere Wank-Bewegung, die an ein schlingerndes Schiff erinnern. Ist aber auch kein Wunder, denn schließlich ist dieser Landy ja knapp zwei Meter hoch aufgeschossen. Und hat ein beträchtliches Gewicht mit rund 2,3 Tonnen. Diese Maße im Zaum zu halten ist fast nicht möglich. Und ehrlich gesagt auch nicht nötig. Auch wenn die extreme Wendigkeit des kurzen Defenders (Wendekreis 11,3 Meter) dazu verführt, ist dieser Landy eher etwas für gemütliche Genießer.

Dazu passt auch der von uns getestete Motor. Ja es war ein Diesel! Und was für einer. Land Rover setzt neuerdings wieder echte Sechszylinder ein mit Doppelturbo und Mild-Hybridisierung (20 Extra-PS von der E-Maschine). Bei der Leistung kann man wählen zwischen 200, 249 und 300 PS. Wir waren ganz zufrieden mit der mittleren Stufe. Der Dreiliter-Turbo ist extrem zugkräftig (man kann bis zu 3,5 Tonnen dranhängen) und legt schon bei 1.250 U/min heftig los. Das Drehmoment liegt bei 570 Newtonmeter und fühlt sich ziemlich gut an. Da hat man den nötigen „Bumms“ von unten heraus. Und weil man weiß, dass man kann, wenn man will, fährt man meistens eher defensiv mit dem Defender. Das ist auch gut so, denn dieser SUV säuft ziemlich viel Treibstoff, wenn man die 2,3 Tonnen zu sehr scheucht. Da wird es schnell zweistellig, die avisierten 8,8 Liter pro 100 Kilometer rücken in weite Ferne. Sonst ist dieser Verbrauch durchaus zu erreichen – allerdings nur, wenn man keine Stadtfahrten hat. Die sein für den Geldbeutel genauso schädlich, wie lange Autobahnstrecken mit durchgedrücktem Pedal.

Land Rover Defender Sandsturm Wüste
Kommt durch jeden Sandsturm. Der Defender mag zwar schicker geworden sein, aber im Gelände kann er nach wie vor alles. © Land Rover

Unser Fazit zum kurzen Land Rover Defender

Hatten wir anfänglich Respekt vor diesem so mächtig und groß wirkenden Landy, so schnell haben wir uns mit diesem Fahrzeug angefreundet. Ganz im Gegensatz zum Aussehen, fährt er sich leichtfüßig und kraftvoll. Allerdings haben wir uns die ganze Zeit gefragt, für wen dieser Shorty eigentlich geeignet ist. Geländetauglich ist der Defender allemal, das haben wir schon bei einem früheren Fahrtermin in einem Steinbruch ausgiebig getestet. Wer damit nicht über Stock und Stein fahren will, bekommt ein stylishes Auto, mit dem man auffällt. Ehrlicherweise nur geeignet für Singles oder Dinks (double income no kids), die sich so ein Auto auch leisten können. Schon die kleinste Motorisierung kostet 54.000 Euro, der 249 PS starke D250 schlägt schon mit 58.800 Euro zu Buche. Wer sich an der ausgiebigen Zusatz-Ausstattungs-Liste labt, kann den Defender auch problemlos nahe an einen sechsstelligen Betrag konfigurieren. Aber wie gesagt: Der Defender ist kein Naturbursche mehr, sondern ein feiner Pinkel. Und das hat eben seinen Preis.

Technische Daten Land Rover Defender 90 D250, 6-Sitzer

Rudolf Bögel *tz.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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