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„Wirklich eine Zeitenwende“: Melnyk sagt Scholz plötzlich „von Herzen Danke“ - doch Merz stichelt weiter

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„Endlich können wir Danke sagen“, sagt der ukrainische Botschafter Melnyk nach der Ankündigung von neuen Waffenlieferungen für die Ukraine. CDU-Chef Merz dagegen stichelt erneut.

Berlin – Neue Töne von Andrij Melnyk: Wochenlang hatte der ukrainische Botschafter die Bundesregierung in teils harschem Tonfall kritisiert. Nun lobt er die jüngsten Entscheidungen der Ampel-Koalition zum Ukraine-Krieg.

Am Mittwoch (1. Juni) hatte Kanzler Olaf Scholz neue Waffenlieferungen für die Ukraine angekündigt. Unter anderem will Deutschland das moderne Luftverteidigungssystem Iris, ein modernes Ortungsradar und Mehrfachraketenwerfer des Typs Mars II liefern.

„Wir sind glücklich darüber, dass nun endlich Bewegung in die Sache gekommen und das Eis gebrochen ist“, sagte Melnyk der Stuttgarter Zeitung und den Stuttgarter Nachrichten. „Gerade um das System Iris haben wir uns hinter den Kulissen seit fast drei Monaten bemüht.“ Melnyk sagte, er hoffe, dass das System im Sommer fertig produziert ist. Im August solle die Ausbildung starten und im Oktober der Einsatz beginnen. Der Wirtschaftswoche gegenüber gab Melnyk die Kosten mit 140 Millionen Euro pro Stück an.

Deutsche Waffen für Ukraine: Melnyk lobt - „Jetzt kann man wirklich von Zeitenwende sprechen“

„Endlich können wir dem Bundeskanzler Scholz von Herzen sagen: Danke!“, sagte Melnyk der Wirtschaftswoche. „Jetzt kann man wirklich von einer Zeitenwende für die Ukraine sprechen. Wir hoffen auf weitere moderne Waffensysteme aus Deutschland.“ Der ukrainische Botschafter zählt zu den schärfsten Kritikern der Bundesregierung und hat ihr in der Vergangenheit immer wieder zu große Zögerlichkeit bei Waffenlieferungen vorgeworfen.

Die letzte Lieferung deutscher Waffen kam Melnyk zufolge am 3. Mai in der Ukraine an. Gegenüber der Stuttgarter Zeitung forderte der Botschafter, dass noch weitere Waffen geliefert werden, vor allem Panzer. „Auf der Tagesordnung bleiben für uns nach wie vor der Marder und der Leopard 1. Hier erwarten wir zügig grünes Licht seitens der Bundesregierung.“ Im Ukraine-Krieg verteidigt sich das Land seit gut drei Monaten gegen Russland, das am 24. Februar in das Nachbarland einmarschierte.

Deutsche Waffen an Ukraine: Merz kritisiert Regierung - „Es wird ganz bewusst auf der Bremse gestanden“

CDU-Chef Friedrich Merz hat der Bundesregierung indes vorgeworfen, bewusst bei der Ausstattung der Ukraine mit Waffen zu bremsen. „Deutschland liefert nicht und Deutschland verzögert und jeden Tag sterben Menschen, und zwar in großer Zahl“, sagte der Oppositionsführer am Donnerstag (2. Juni) im ZDF-„Morgenmagazin“. „Wenn sich alle Staaten so verhalten hätten wie Deutschland, dann hätte die russische Armee Kiew bereits eingenommen.“

Scholz ist seit Wochen mit Vorwürfen konfrontiert, bei Waffenlieferungen an die Ukraine zu zögerlich vorzugehen. Zur Verfügung gestellt hat die Bundesregierung der Ukraine zwar bereits in großem Stil Panzerabwehrwaffen, Flugabwehrraketen oder Maschinengewehre sowie etwa 15 Millionen Schuss Munition - aber noch keine schweren Waffen. Panzerhaubitzen sowie Flugabwehrpanzer vom Typ Gepard sind seit langem zugesagt, aber noch nicht in der Ukraine angekommen.

Friedrich Merz
„Sie sagen unverändert nichts“, sagte Unionsfraktionschef Friedrich Merz am Mittwoch (1. Juni) an die Adresse von Kanzler Scholz. © Kay Nietfeld/dpa

Deutsche Waffen an die Ukraine: Kritik aus der Union - „Unbestimmte Zukunft“

Aus Merz‘ Sicht hätte Deutschland bereits mehr tun können. „Deutschland hätte der Ukraine Marder-Panzer liefern können, sie machen es nicht, sie verzögern, sie kündigen es an, sie sagen Ringtausch und der Ringtausch funktioniert nicht“, sagte er. „Also hier wird ganz bewusst auf der Bremse gestanden.“ Welche Absicht er dahinter vermute, sagte Merz nicht.

Auch Unionsfraktionsvize Johann Wadephul (CDU) kritisierte die angekündigten neuen Waffenlieferungen als unzureichend.„Scholz versucht erneut, tatsächliche Lieferungen durch Ankündigungen zu ersetzen“, betonte der CDU-Sicherheitspolitiker gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung. Anstatt schnell Schützenpanzer zu liefern, kündige Scholz „komplexe Systeme für eine unbestimmte Zukunft an“, kritisierte Wadephul. „Doch die Ukraine braucht praktische Hilfe jetzt. Und der Bundestag hat genau das vor mittlerweile einem Monat gefordert.“

Deutschland liefert Waffen an Ukraine: Lambrecht beklagt Wortklauberei

Entbrannt ist bei der Bundestags-Generaldebatte am Mittwoch auch ein Streit um die Wortwahl von Scholz. Dieser hatte die Aussage vermieden, die Ukraine müsse den Krieg gewinnen - daraufhin war ihm von Oppositionsführer Merz vorgeworfen worden, eine klare Haltung zu vermeiden.

Dazu äußerte sich Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) nun am Donnerstag (2. Juni) im Deutschlandfunk. „Ich glaube, es geht darum, die Ukraine jetzt so zu unterstützen, dass sie in diesem Kampf bestehen kann, und nicht um einzelne Worte. Ich hab manchmal das Gefühl, es geht eher um Worte als um Taten“, sagte sie.

Deutschland liefert Waffen für Ukraine - Lambrecht wehrt sich gegen „Schneckentempo“-Vorwurf

Lambrecht wies zudem den Vorwurf zurück, dass die Regierung die Waffenlieferungen für die Ukraine „im Schneckentempo“ voranbringe. „Hier geht es nicht um Schneckentempo“, sagte Lambrecht. Die zugesagten Flugabwehrpanzer vom Typ Gepard, die noch nicht in der Ukraine angekommen sind, müssten erst noch aufbereitet werden.

Ohnehin gehe es nicht darum, die Ukraine nur jetzt zu unterstützen, sagte Lambrecht. „Wir müssen davon ausgehen, dass die Ukraine diesen Kampf länger führen muss und auch dafür muss sie ausgerüstet werden und ausgestattet sein.“ Laut einem geheimen Nato-Bericht wird der Ukraine-Krieg noch Monate dauern, und auch Außenministerin Baerbock geht davon aus, dass Russlands Präsident Wladimir Putin seine Strategie geändert hat und jetzt auf Zeit spielt. (dpa/AFP)

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