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Zoff bei Entlastungs-MPK: Söders Vierfach-Extrawurst und SPD-Druck auf Scholz – Was das Protokoll verrät

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Von: Andreas Schmid

Markus Söder (li.) und Olaf Scholz nach einem Corona-Gipfel
Markus Söder (li.) und Olaf Scholz nach einer Bund-Länder-Runde. Nach der jüngsten MPK macht Bayern Druck. © Bernd von Jutrczenka/dpa (Archivfoto)

Bayern ist unzufrieden mit der jüngsten Ministerpräsidentenkonferenz. Gleich viermal hat der Freistaat am Ergebnis etwas zu bemängeln - aber auch die SPD-Länder machen Druck.

Berlin - Eigentlich wollten die Regierungschefs der 16 Bundesländer nach ihrer Ministerpräsidentenkonferenz am Mittwoch (28. September) persönlich mit Olaf Scholz sprechen. Wegen einer Corona-Infektion des Kanzlers fiel das Treffen mit Scholz jedoch aus. Der direkte Dialog etwa zur Verteilung der Kosten für weitere Entlastungen ist auf Anfang Oktober vertagt.

Damit stehen die Beschlüsse der Bundesländer nun eher im luftleeren Raum – und zeugen dennoch von Unmut: So machen die SPD-Länder in puncto Schuldenbremse Druck auf die vom Genossen Scholz geführte Bundesregierung. Bayern hat sich derweil gleich vier abweichende Protokollnotizen genehmigt.

MPK-Ärger: AKW, Entlastungen, Steuern, ÖPNV - Bayerns vierfache Protokollerklärung

Am unzufriedensten mit der MPK ist wohl Bayern. Vor allem im Bereich der Energieversorgung sieht der Freistaat Nachholbedarf. „Notwendig sind Klarheit und Vernunft statt ideologischer Scheuklappen“, heißt es in einer Protokollerklärung zum Beschlusspapier, die Merkur.de vorliegt. Die bayerische Delegation um Ministerpräsident Markus Söder fordert, die Laufzeit der drei derzeit noch laufenden Kernkraftwerke „umgehend mindestens bis 31. Dezember 2024 zu verlängern“. Für das AKW im niedersächsischen Emsland ist das derzeit nicht geplant. Es soll Ende 2022 vollständig vom Netz genommen werden. Ferner müssen aus bayerischer Sicht auch die Kohle- und Mineralölkraftwerke „zügig an den Markt zurückkehren“.

Zudem gehen dem Freistaat die geplanten Entlastungen nicht weit genug. Aufgrund der „dramatischen Folgen der hohen Energiepreise“ seien weitere Maßnahmen notwendig. So sei die geplante Verstaatlichung von Uniper „längst überfällig“ und die „überholte und rechtlich fragwürdige Gasbeschaffungsumlage“ müsse „umgehend gestoppt“ werden. Zudem brauche es einen Spritpreisdeckel, der das Tanken für die im ländlichen Raum aufs Auto angewiesenen Menschen billiger mache.

Die bayerische Staatsregierung fordert auch „sofortige“ Steuersenkungen, etwa bei der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel. Als vierten Punkt braucht es aus bayerischer Sicht zusätzliche Mittel für den ÖPNV - unabhängig von einem diskutierten Nachfolgemodell für das Neun-Euro-Ticket. „Wo Züge nicht fahren und Busse nicht halten, ist den Bürgerinnen und Bürgern mit einem subventionierten Billigticket wenig geholfen.“

Schuldenbremse: „Das konnten wie nicht abschließend klären“

Die Bundesländer forderten am Mittwoch einen Energiepreisdeckel und spezifische Entlastungen für untere und mittlere Einkommen sowie kleine und mittlere Unternehmen. Es handle sich dabei um die größte Entlastungsmaßnahme aller Entlastungspakete. „Aller Voraussicht nach“, sagte Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD), würden die Kosten „in einem dreistelligen Milliardenbereich“ liegen. Wie soll das bezahlt werden?

Wie Giffey in einer Pressekonferenz nach den Gesprächen einräumte, sind sich die Bundesländer bei der Finanzierung uneinig. Insbesondere die Frage, ob über die Begrenzung der Schuldenbremse hinaus neue Kredite zur Finanzierung aufgenommen werden können, „konnten wir nicht abschließend klären“. Hier machten vor allem die SPD-Vertreter Druck.

Was ist die Schuldenbremse?

„Die Schuldenbremse sieht vor, dass die Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen sind. Diese Regelung ist in Artikel 109 Grundgesetz verankert“, heißt es auf der Seite des Bundesfinanzministeriums. Vereinfacht gesagt bedeutet dies, dass Deutschland keine neuen Schulden macht. Bei Naturkatastrophen oder anderen Notsituationen kann die Schuldenbremse ausgesetzt werden - so geschehen von 2020 bis 2022.

MPK: SPD-Länder machen Scholz bei Schuldenbremse Druck

In einer weiteren Protokollerklärung heißt es: „Wir stellen fest, dass wir es mit einer außergewöhnlichen Notsituation im Sinne des Grundgesetzes zu tun haben. Dies rechtfertigt bei Bund und Ländern die Aufnahme von Krediten über die Begrenzung der Schuldenbremse hinaus.“

Unterzeichnet ist die Erklärung von den Bundesländern Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Thüringen. Diese Länder werden bis auf Thüringen mit seinem Linke-Regierungschef Bodo Ramelow allesamt von SPD-Ministerpräsidenten regiert.

So viele Ministerpräsidenten stellen die Parteien in Deutschland

SPD (8)Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland
Union (6)Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein
Grüne (1)Baden-Württemberg
Linke (1)Thüringen

Streitpunkt Schuldenbremse: Merz springt „einsamen“ Lindner zur Seite

FDP-Finanzminister Christian Lindner will unabhängig der Länderforderungen an der Schuldenbremse festhalten. Dabei agiert der Parteichef der Liberalen zunehmend isoliert. „Ich habe gesehen, dass es einsamer um mich wird, nachdem auch Markus Söder jetzt gesagt hat, die Schuldenbremse sei eine Prinzipienreiterei“, sagte Lindner vergangene Woche dem Portal ThePioneer. CDU-Chef Friedrich Merz, dem wirtschaftsliberalen Flügel der Union zugeordnet, sieht es ähnlich wie Lindner.

Es sei „nicht Prinzipienreiterei, an der Schuldenbremse festzuhalten, sondern sie steht mit gutem Grund im Grundgesetz“, sagte Merz dem Sender Welt. Er sei sich mit Lindner „völlig einig, dass wir an der Schuldenbremse festhalten sollten. Sie zu lösen ist keine Option.“ Auch Scholz will an der Schuldenbremse festhalten.

Die nächste Bund-Länder-Runde soll am Dienstag, 4. Oktober, stattfinden. Der Kanzler soll dann ebenfalls dabei sein. Es scheint, als habe er mit den Ländern einiges zu besprechen. Sowohl mit Ampel-Kritiker Söder als auch den Regierungschefs seiner eigenen Partei. (as)

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