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Lindner schickt offenbar Bundeswehr-Brandbrief an Lambrecht und Scholz - mit deutlichen Forderungen

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Von: Marcus Giebel

Christian Lindner sitzt an einem Tisch, hinter ihm ist Christine Lambrecht zu sehen
Fordert Reformen bei der Bundeswehr: Finanzminister Christian Lindner will Verteidigungsministerin Christine Lambrecht Beine machen. © Kay Nietfeld/dpa

Wegen des Ukraine-Kriegs rückt die Bundeswehr wieder verstärkt in den Blickpunkt. Christian Lindner soll in einem Schreiben deutliche Worte gefunden haben.

München - Für Christian Lindner war die Welt in den vergangenen Tagen mehr als in Ordnung. Auf Sylt, Deutschlands Insel der Schönen und Reichen, heiratete der FDP-Chef seine Partnerin Franca Lehfeldt erst standesamtlich und am folgenden Wochenende auch kirchlich, was in einer großen Feier mit Familie, Freunden und Weggefährten seinen Höhepunkt fand. Es war zweifellos allerhand zu planen.

Mehr Vorausblick wünscht sich der Finanzminister offenbar auch von einer seiner prominenten Kabinettskolleginnen. Der Spiegel berichtet von „einer Art Brandbrief“ Lindners an Verteidigungsministerin Christine Lambrecht und Bundeskanzler Olaf Scholz. Dieser sei am 3. Juli an die beiden SPD-Politiker verschickt worden und mahne zur Eile bezüglich des als Reaktion auf den Ukraine-Krieg verabschiedeten 100-Milliarden-Euro-Pakets zugunsten der Bundeswehr.

Lindner und der Brandbrief an Lambrecht: „Kraftvolle und mutige Reformen“ bei Bundeswehr

In dem zweiseitigen Schreiben, das dem Nachrichtenmagazin vorliege, fordere der 43-Jährige hinsichtlich des Einkaufs von Rüstungsgütern „tiefgreifende und schnelle Reformen“. Davon mache er indirekt weitere Finanzspritzen für das Wehrressort abhängig. Lindner erinnert demnach daran, dass sich die Bundesregierung dafür entschieden habe, „unsere Streitkräfte so aufzustellen, dass sie wieder ihrer ureigensten Aufgabe der Landes- und Bündnisverteidigung verlässlich nachkommen können“.

Deshalb fordere er von Lambrecht, den pannenhaften Einkauf bei der Bundeswehr schnell effizienter zu gestalten. Es handele sich um eine „außergewöhnliche finanzielle Kraftanstrengung“, die „von mindestens ebenso kraftvollen wie mutigen Reformen begleitet werden“ müsse. Diese würde das Finanzministerium „konstruktiv begleiten“, was wohl auch als Überwachung zu interpretieren ist.

Christina Lambrecht sitzt in einem Panzer und schaut oben heraus
Schnupperkurs bei der Bundeswehr: Die neue Dienststelle als Verteidigungsministerin bringt für Christine Lambrecht auch Panzerfahrten mit sich. © Philipp Schulze/dpa

Lindner mahnt Lambrecht zu Reformen: Erheblicher Druck von Finanzminister auf Kabinettskollegin

Von den bisherigen Einkäufen scheint Lindner nicht wirklich überzeugt zu sein. So heiße es in dem Brief weiter: „Die schlechte derzeitige Verfassung der Streitkräfte ist nicht nur auf deren finanzielle Unterausstattung, sondern auch maßgeblich auf strukturelle Defizite und ein unzureichendes ziviles und militärisches Management zurückzuführen.“ Das Gesetz zur Beschleunigung von Beschaffungen sei „nur ein erster Schritt“.

Der Spiegel folgert, dass Lindner mit dem Schreiben „erheblichen Druck auf Lambrecht“ ausübe, die spätestens seit dem Kriegsausbruch in der Ukraine besonders im Fokus und in der Öffentlichkeit regelmäßig in der Kritik steht. Neben zögerlichen und schwer nachvollziehbaren Entscheidungen wird der ehemaligen Justizministerin mangelnde Expertise vorgeworfen.

Kritik an Arbeit von Lambrecht: Neben Scholz schaut auch Lindner genau auf Verteidigungsministerin

Als „Affront“ wird die Tatsache bewertet, dass Lindners Schreiben auch direkt an Scholz gesendet wurde. Da der Liberale auch ankündige, ein Auge auf die Ausgaben der Streitkräfte zu werfen, schreibt das Nachrichtenmagazin: „Neben dem Kanzler, der sich bei Bundeswehr-Themen gern einbringt, hat Lambrecht damit einen zweiten Akteur in der Bundesregierung, der ihr Wirken im Wehrressort genau beobachtet.“

Lindner setze mit dem Brief gleich zwei Zeichen: Er sei bereit, noch mehr Geld für die Bundeswehr in die Hand zu nehmen, dabei sei jedoch sicherzustellen, dass dieses effektiv eingesetzt werde. Im Finanzministerium heiße es daher, es brauche Reformen in Verteidigungsministerium und Bundeswehr, die kein Geld kosteten, aber Verbesserungen mit sich brächten.

Video: Kirchliche Trauung und Steuergelder - Kritik an Hochzeit von Lindner

Lindner wie Scholz: Finanzminister nehmen Bundeswehr-Reformen in den Blick

Das Lindner-Haus sei sogar der Meinung, dass weitere Finanzspritzen nur sinnvoll seien, wenn die Strukturen im Wehrbereich stimmig seien. Bei Scholz dürfte er da durchaus auf offene Ohren stoßen, denn der habe bereits als Finanzminister in der Großen Koalition immer wieder entsprechende Reformen im Verteidigungsministerium angemahnt, wird in dem Bericht erinnert.

Neben dem Verteidigungsministerium und der Bundeswehr sieht Lindner demnach auch die Rüstungsindustrie in der Pflicht, in ersten Gesprächen habe er diese bereits zu mehr Pünktlichkeit ermahnt. Preissteigerungen wie in der Vergangenheit hält er für nicht mehr akzeptabel.

Ob Lindners Laune nach seiner Hochzeit schnell gen Süden kippt? Das dürfte auch mit der Reaktion von Lambrecht zusammenhängen. Das Thema Wehretat hat der Finanzminister trotz anderer Krisen im Land nun auch mit zu seiner Agenda erhoben.

Monate später wirft der Kampfjet-Deal mit den USA ein schlechtes Licht auf das Lambrecht-Ministerium. Aufgrund von Zahlen aus der Schweiz verschärft sich die Kritik. (mg)

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