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Sorgt Kevin McCarthy für eine neue Krise zwischen China und Taiwan?

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Von: Sven Hauberg

Nach der Taipeh-Reise von Nancy Pelosi eskalierte im Sommer die Taiwan-Krise. Auch ihr Nachfolger will die Insel besuchen. Reagiert China erneut mit Militärmanövern?

Dieser Artikel erschien erstmals am 3. Dezember 2022. Wir veröffentlichen den Text aus gegebenem Anlass in leicht aktualisierter Form erneut.

München/Peking/Washington – „China hat gelogen. Millionen sind gestorben.“ Dieses Zitat stammt nicht etwa von Ex-US-Präsident Donald Trump, der nur allzu gerne von seinem eigenen Versagen in der Corona-Pandemie ablenkte und lieber Peking die Schuld für die hohen Todeszahlen in den USA in die Schuhe schob. Sondern von Kevin McCarthy, Republikaner wie Trump und Abgeordneter im US-Repräsentantenhaus seit 16 Jahren. Wer durch den Twitter-Feed von McCarthy scrollt, findet viele solche Sätze. „Eine der größten Bedrohungen für die Zukunft Amerikas ist China“, schreibt der 57-Jährige beispielsweise da, oder: „China kann man nicht trauen – basta.“

Kevin McCarthy, Vater von zwei Kindern, kämpfte gegen das Recht auf Abtreibung und die Ehe für alle und leugnete jahrelang den Klimawandel. Sehr früh war er ein Unterstützer von Donald Trump. Mit Ausbruch der Corona-Pandemie begann McCarthy, ganz im Stile Trumps gegen die Regierung in Peking auszuteilen, die er für das „chinesische Coronavirus“ verantwortlich machte. Später teilte er dann noch Trumps Mär vom angeblich gestohlenen Wahlsieg.

Kevin McCarthy
Kevin McCarthy wurde nach mehreren Anläufen am Samstag zum Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses gewählt. © Olivier Douliery/AFP

Bislang sind McCarthys verbale Spitzen in Richtung China meist ungehört verhallt, sowohl in Washington als auch in Peking. Er war nicht wichtig genug. Doch jetzt dürfte sich das ändern, nachdem der Politiker aus dem kalifornischen Bakersfield am 7. Januar zum Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses gewählt wurde. Bei den jüngsten Zwischenwahlen hatten die Republikaner die Mehrheit der Sitze in der US-Parlamentskammer gewonnen, McCarthy folgt nun auf Nancy Pelosi, die bisherige Repräsentantenhaus-Vorsitzende.

McCarthy plant Taiwan-Reise – Antwort aus China ist gewiss

Pelosi hatte im August vergangenen Jahres die größte Krise zwischen China und den USA seit Jahrzehnten heraufbeschworen, als sie für einen Tag und eine Nacht Taiwan besuchte – den demokratisch regierten Inselstaat und US-Verbündeten, den Peking für sich beansprucht. China reagierte auf die Stippvisite mit umfangreichen Militärmanövern in der Region und beendete Gespräche mit den USA über Themen wie Klimawandel oder Handelsfragen. Erst mit dem Treffen zwischen US-Präsident Joe Biden und Chinas Staatschef Xi Jinping auf dem G20-Gipfel auf Bali kehrte zuletzt wieder etwas Entspannung ein in die Beziehungen der beiden Supermächte.

McCarthy könnte allerdings schon bald für neue Verstimmungen sorgen zwischen Peking und Washington. Denn der Republikaner kündigte an, ebenso wie Pelosi nach Taiwan reisen zu wollen. „Als Sprecher des Repräsentantenhauses würde ich das sehr gerne tun“, sagte McCarthy bereits Ende Juli dem Wall Street Journal. Schon damals war abzusehen, dass die Republikaner im Repräsentantenhaus die Mehrheit erreichen würden. Eine Antwort aus China ist gewiss, sollte McCarthy im kommenden Jahr tatsächlich in Taipeh aus dem Flugzeug steigen. „Peking kann es sich nicht leisten, nichts zu tun, und es wird zweifellos jeden Besuch als Vorwand für weitere Raketentests nutzen“, sagte Andrew Small vom German Marshall Fund, einer US-Denkfabrik, der Frankfurter Rundschau von IPPEN.MEDIA.

Der China-Experte erwartet allerdings, dass Peking weniger drastisch reagieren werde als noch beim Pelosi-Besuch im Sommer. Denn während China auch darüber erbost war, dass Biden den Besuch seiner demokratischen Parteifreundin Pelosi nicht verhinderte, greift dieses Argument beim Republikaner McCarthy nicht. „Bis zu einem gewissen Grad sieht China das ein“, so Small.

Die USA wollen Taiwan bei einem chinesischen Angriff beistehen – nur wie?

Letztendlich aber dürfte die politische Großwetterlage darüber entscheiden, ob Peking bei einem Taipeh-Besuch von McCarthy wieder Raketen in die Nähe Taiwans feuert. Und da stehen die Zeichen derzeit nicht wirklich auf Entspannung, auch wenn das G20-Treffen zwischen Xi und Biden immerhin einige eingefrorene Kommunikationskanäle wieder öffnen konnte. Denn wenn es etwas gibt, das Republikaner und Demokraten eint, dann ist es ihre Unterstützung für Taiwan – und eine harte Haltung gegenüber Peking.

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McCarthy fordert, dass die USA den Taiwanern helfen sollen, „sich gegen die rücksichtslose Aggression der Kommunistischen Partei Chinas zu verteidigen“. Offiziell liefern die USA den Taiwanern bislang nur Verteidigungswaffen; ob sie im Falle eines chinesischen Angriffs auch militärisch eingreifen würden, lässt Washington bislang bewusst offen – aus dem Weißen Haus kamen zuletzt widersprüchliche Signale. „McCarthy meint wahrscheinlich beides“, glaubt China-Experte Small. Denn für die USA steht viel auf dem Spiel, nicht nur ihr Ruf als Supermacht. Taiwan ist zudem der weltweit wichtigste Hersteller von fortgeschrittenen Computerchips, die auch in Produkten von US-Unternehmen wie Apple und Tesla verbaut sind.

Auch jenseits der Taiwan-Frage fährt McCarthy einen harten China-Kurs. „China ist das Land Nummer eins, wenn es um den Diebstahl von geistigem Eigentum geht“, sagte er unlängst in einem Interview mit dem Fernsehsender Fox News und kündigte an, im Repräsentantenhaus einen Sonderausschuss zu China zu bilden. „Wir werden dem ein Ende setzen und nicht länger zulassen, dass sich die Regierung zurücklehnt und China tun lässt, was sie Amerika antun.“ Chinas Staatszeitung Global Times reagierte prompt auf McCarthys Vorstoß: Dem Republikaner gehe es vor allem darum, „politisches Kapital zu gewinnen“, heißt es in einem anonym verfassten Meinungsbeitrag.

McCarthy: Nicht nur China ist sein Gegner

Für Kevin McCarthy sitzt der politische Gegner nicht nur in Pekings Regierungskomplex Zhongnanhai, sondern auch im Weißen Haus. Immer wieder wirft er der Biden-Regierung vor, China zu viel durchgehen zu lassen, zuletzt kritisierte er etwa, der US-Präsident unterstütze die chinesischen Proteste gegen die Null-Covid-Politik nicht entschieden genug. Ein seltsames Argument. Denn den Handelskrieg mit der Volksrepublik, den Donald Trump einst vom Zaun gebrochen hatte, setzt Biden mit unverminderter Härte fort. Zuletzt eskalierte er den Konflikt sogar, als er US-Firmen untersagte, technologisch fortschrittliche Computerchips nach China zu liefern. Peking könnte so bei der Entwicklung von Supercomputern und Künstlicher Intelligenz weit hinter die USA zurückfallen.

„Man kann schwerlich sagen, dass die Demokraten China gegenüber zu weich sind“, glaubt auch China-Experte Small. Er vermutet, dass McCarthy in Zukunft einfach behaupten werde, der harte China-Kurs der Biden-Regierung sei sein Verdienst – weil es die Republikaner seien, die den Druck aufs Weiße Haus aufrechterhielten. Dass er damit bei den Wählerinnen und Wählern ankommt, darauf kann sich McCarthy verlassen: Mehr als 80 Prozent, so eine Umfrage des Pew Research Center, blicken negativ auf die Volksrepublik.

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