Bizarre Lage: Palmer tritt jetzt gegen Grüne an - und sendet Liebesgrüße

In Tübingen kommt es im Herbst zu einem kuriosen Showdown: Boris Palmer gegen die Grünen. Parteifreunde sind sauer - und verweisen auf eine noch schräger anmutende Option.
Tübingen - Vom parteiinternen Enfant Terrible zum Kontrahenten im Ringen um eine Hochburg der Grünen*: Boris Palmer macht ernst. Der langjährige Tübinger Oberbürgermeister tritt bei der Neuwahl im Herbst als parteiloser Kandidat an - dann wohl auch gegen die Grünen, die derzeit ein Parteiausschlussverfahren gegen Palmer führen.
Die Noch-Parteifreunde in der schwäbischen Großstadt reagierten am Wochenende verschnupft auf den Plan; sie verwiesen auf eine eher skurril anmutende Option. Palmer dachte hingegen gar nicht daran, auf Konfrontation mit seiner langjährigen Partei zu gehen. Er stellte seine Kandidatur als notgedrungene Variante dar.
Grüne: Palmer tritt in Tübingen gegen Partei an - und preist die doch als „politische Heimat“
Palmer verkündete den Schritt am Sonntag auf seiner Homepage. Mehr als 800 Wahlberechtigte hätten einen Unterstützungs-Aufruf, schrieb Palmer auf borispalmer.de. Eine ähnlich große Zahl von Menschen habe diese Unterstützung mit einer Geldspende geleistet. So sei das erforderliche Budget für einen Wahlkampf in nur einer Woche zusammen gekommen. „Ich kann Ihnen gar nicht genug Dank sagen für diese Ermutigung. Sie haben damit den Ausschlag gegeben: Ich werde mich um eine dritte Amtszeit bewerben.“
Palmer betonte, es falle ihm schwer, ohne die Unterstützung der Partei zu kandidieren, der er aus Überzeugung seit 25 Jahren angehöre. „Meine politische Heimat sind und bleiben die Grünen in Baden-Württemberg“, schrieb er. Er wolle zu ihrem Erfolg und dem der Regierung von Baden-Württembergs grünem Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann beitragen. „Doch bei dieser Wahl ist mir das aus bekannten Gründen verwehrt.“
Palmer hatte kürzlich angekündigt, bei der OB-Wahl seiner Stadt im Herbst nicht mehr als Kandidat der Grünen antreten zu wollen - wegen seines möglichen Rauswurfs aus der Partei. Der 49-Jährige ist seit 2007 OB in der Universitätsstadt. Auf der Suche nach Unterstützung für seinen möglichen Wahlkampf als parteiloser Kandidat hatte Palmer in den vergangenen Tagen 100.000 Euro gesammelt.
Palmer gegen Grüne: Parteifreunde sauer - Kandidatur ohne Mitgliedschaft als Option?
Die Grünen in Tübingen zeigten sich schwer enttäuscht von Palmers Schritt. „Wir bedauern, dass er sich nicht dem Votum der Partei stellt“, sagte Marc Mausch, Sprecher des Tübinger Grünen-Stadtvorstandes, am Sonntag der dpa mit Blick auf die geplante Grüne-Kandidaten-Urwahl*. Palmers Entscheidung zeuge nicht von Souveränität, er zwinge die Grünen dazu, ihre Kräfte aufzuteilen.
„Die Partei ist ihm egal, das hat er schon gezeigt“, sagte Mausch. Das Parteiausschlussverfahren als Grund halte er für vorgeschoben. Mauschs These: Auch als Nicht-Grüner hätte Palmer für die grüne Partei als OB antreten können.
Grüne führen Ausschlussverfahren gegen Palmer - Ausgang noch offen
Dem bundesweit bekannten, aber in seiner Partei seit Jahren umstrittenen Palmer droht aktuell der Ausschluss, weil ihm die Grünen kalkulierte Tabubrüche und Entgleisungen vorhalten. Ein Landesparteitag Anfang Mai vergangenen Jahres hatte beschlossen, ein sogenanntes Parteiordnungsverfahren gegen ihn anzustrengen. Über den Rauswurf soll ein parteiinternes Schiedsgericht auf Landesebene entscheiden.
Auslöser für das Verfahren war ein Facebook-Beitrag Palmers im Mai über den deutschen Ex-Nationalspieler Dennis Aogo, in dem Palmer das sogenannte N-Wort benutzt. Mit diesem Begriff wird heute eine früher in Deutschland gebräuchliche rassistische Bezeichnung für Schwarze umschrieben. Palmer beteuerte, seine Äußerung sei ironisch gemeint gewesen. (dpa/fn) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.