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Trump oder „Trump mit Gehirn“? USA-Expertin Brockschmidt fürchtet: „So wie bisher oder schlimmer“

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Von: Anna-Katharina Ahnefeld

Comeback von Donald Trump? Der ehemalige Präsident spricht bei einer Kundgebung.
Comeback von Donald Trump? Der ehemalige Präsident spricht bei einer Kundgebung. © Morry Gash/dpa

Dass Donald Trump erneut als US-Präsident kandidieren will, gilt als gewiss. Doch aus den eigenen Reihen droht ihm Gefahr. Der Trumpismus könnte jedoch auch ohne den Ex-Präsidenten weiterleben.

Washington – Ist es ein Comeback, wenn einer eigentlich nie weg war? Donald Trump hat die Präsidentschaftswahl 2020 verloren – und die Republikanische Partei scheinbar weiterhin fest im Griff. Die Angst geht um, dass ihn die Grand Old Party (GOP) zu ihrem Kandidaten für die US-Wahl 2024 küren könnte. Ein Schlaglicht darauf wirft die in der Geschichte der USA beispiellose Razzia der Bundespolizei FBI in der Residenz des ehemaligen Präsidenten. Anstatt sich zu distanzieren, hagelt es aus republikanischen Kreisen Solidaritätsbekundungen. Die Wut richtet sich gegen das FBI und die Justiz – nicht gegen einen Ex-Präsidenten, der selbst die eigenen Kongressmitglieder bei der Erstürmung des Kapitols dem gewaltbereiten Mob zum Fraß vorwarf.

Stattdessen wittern die Republikaner die Chance, die Parteibasis vor den Kongresswahlen im Herbst, den sogenannten Midterms, zu mobilisieren. Auch wenn das bedeutet, Trump abermals zu stärken. Nach dem Motto: Macht geht über Moral. Doch der ist nicht mehr der einzige aussichtsreiche Kandidat der Republikanischen Partei. Immer wieder fällt der Name Ron DeSantis. Der republikanische Gouverneur von Florida wird als Alternative hofiert – auch von Fox News, dem ehemaligen Haus- und Hofsender Trumps. Der einstige Trump-Zögling und stramm rechte Politiker tritt aktuell in Florida zur Wiederwahl an. Laut CNN gelang es dem „Trump mit Gehirn“, wie der 43-Jährige teilweise genannt wird, für diesen Gouverneurswahlkampf einen Rekord-Betrag von mehr als 100 Millionen Dollar einzunehmen – und das von republikanischen Groß-Spender:innen. Trump dürfte darüber tief orange vor Wut geworden sein.

Dass die Republikaner sich für ihn entscheiden könnten, dafür spricht auch, dass die Anhörungen zu den Geschehnissen des 6. Januars 2021 zu wirken beginnen. Das „January 6 Committee“ offenbarte, wie nah die US-Demokratie einem Putsch kam – und wie bereitwillig Trump den Mob zu Gewalttaten anstachelte. Laut einer aktuellen Umfrage der New York Times würden, wenn jetzt Präsidentschafts-Vorwahlen unter Republikanern wären, nur noch knapp 50 Prozent für Trump stimmen. Der ehemalige US-Präsident könnte die Zeche also mit schwindender Unterstützung zahlen.

US-Wahlen 2024: Joe Biden steckt in der Krise – und Donald Trump würde in Umfrage aktuell gewinnen

Doch ob Trump oder DeSantis: Die Zeiten stehen günstig, dass die Republikaner wieder erstarken, denn Joe Biden ist angeschlagen. Es wird erwartet, dass sich viele Wähler:innen bei den Midterms für die Republikanische Partei entscheiden – und die Demokraten die hauchdünne Mehrheit im Kongress verlieren. Bereits jetzt bremsen die Republikaner die Agenda Bidens bis zum fast vollständigen Stillstand aus. Von holprigen Monaten zu sprechen wäre untertrieben, Biden steckt in einer Krise. Die Zustimmungswerte sinken, der versprochene Aufbruch ist ausgeblieben. Stattdessen häufen sich die Probleme. Hoffnung gibt immerhin der kürzliche historische Durchbruch beim Klima-, Sozial- und Steuerpaket im US-Senat, welcher nie dagewesene Investitionen in den Klimaschutz vorsieht. Ein Erfolg für die Biden-Regierung – nach mehreren Anläufen.

Ob das ausreicht, um das Ruder herumzureißen? Fraglich. Erst Mitte Juli veröffentlichte die New York Times eine Umfrage, dass 64 Prozent der Demokraten für die US-Wahlen 2024 eine:n andere:n Kandidat:in wollen. Nur wer soll das sein? Die natürliche Wahl wäre Vize-Präsidentin Kamala Harris, doch bislang überzeugt sie nicht. Jemand anderes ist aktuell nicht in Sicht. Hinzu kommt: Die Demokraten sind gespalten, scheinbar unversöhnlich stehen sich der moderate und der linke Flügel gegenüber. Im Gegensatz dazu ist die Republikanische Partei geeint hinter dem Trumpismus – mit Ausnahmen weniger aufrechter Politiker:innen wie etwa Liz Cheney. Macht geht über Moral.

Das ist begründet in der rechten Ansicht, dass ‚die Linke‘ mit ihrer angeblichen ‚wokeness‘ und ihrem Säkularismus eine viel größere Gefahr für Amerika darstelle als ein Präsident, der im schlimmsten Fall ein autoritäres Regime installieren will.

Annika Brockschmidt

Sollte Trump also erneut Präsidentschaftskandidat werden, würden selbst die Republikaner, die im parlamentarischen Untersuchungsausschuss gegen ihn ausgesagt haben, für ihn stimmen, sagt USA-Expertin und Autorin Annika Brockschmidt FR.de von IPPEN.MEDIA. Brockschmidt: „Das ist begründet in der rechten Ansicht, dass ‚die Linke‘ mit ihrer angeblichen ‚wokeness‘ und ihrem Säkularismus eine viel größere Gefahr für Amerika darstelle als ein Präsident, der im schlimmsten Fall ein autoritäres Regime installieren will.“

Annika Brockschmidt

Annika Brockschmidt (geboren 1992) ist eine deutsche Autorin, Journalistin und Podcasterin (u.a. „Kreuz und Flagge) mit dem aktuellen Schwerpunkt Religiöse Rechte in den USA. Sie studierte Geschichte und Germanistik an der Universität Heidelberg und War and Conflict Studies an der Universität Potsdam. Im Rowohlt-Verlag erschien 2021 ihr Bestseller: „Amerikas Gotteskrieger: Wie die Religiöse Rechte die Demokratie gefährdet“.

Die Demokraten stellen in dieser Logik für das „wahre Amerika“ die größere Gefahr dar, sagt Brockschmidt. Die Republikanische Partei wolle eine „wie auch immer geartete Form der Herrschaft einer weißen, christlichen Minderheit.“ Zeitgleich wird die Gesellschaft in den USA immer diverser; die Zahl der republikanischen Wähler:innen sinkt – und die GOP ist bereit, „immer extremere Maßnahmen und immer extremere Führungsfiguren zu installieren, um noch Oberwasser zu bekommen“, so Brockschmidt.

Trumpismus funktioniert auch ohne Trump: „Letzten Endes ist gar nicht so wichtig, wer an der Spitze steht“

Selbst ein versuchter Staatsputsch ist für viele Republikaner also kein Grund, Trump die Unterstützung zu verweigern. Da werden Erinnerungen an seinen berühmten Satz wach, er könne auf der Fifth Avenue in New York jemanden erschießen und trotzdem keine einzige Stimme verlieren. Aber: All das ist geknüpft daran, dass Trump weiterhin die Massen mobilisiert. Wenn Donald Trump nicht mehr liefert und die Unterstützung für ihn in der Wähler:innen-Basis schwindet, könnte er vielleicht doch in den Annalen der Geschichte versinken. Ohne seine MAGA-Fans ist selbst Trump nicht mehr, als ein alter, weißer, wütender Mann in einem Golf-Ressort. Das heißt aber nicht, dass deshalb auch der Trumpismus verschwindet – und nicht in Gestalt von Ron DeSantis weiterleben könnte.

Wenn wir Trump aus der Gleichung entfernen, haben wir nicht die Lösung des Problems. Letzten Endes ist gar nicht so wichtig, wer an der Spitze steht. Das Ergebnis wird sein: So wie bisher oder schlimmer. Denn einem Ron DeSantis traue ich zumindest intellektuell mehr zu als einem Donald Trump.

Annika Brockschmidt

Der Trumpismus funktioniert ohne Trump, beobachtet auch Annika Brockschmidt: „Wenn wir Trump aus der Gleichung entfernen, haben wir nicht die Lösung des Problems. Letzten Endes ist gar nicht so wichtig, wer an der Spitze steht. Das Ergebnis wird sein: So wie bisher oder schlimmer. Denn einem Ron DeSantis traue ich zumindest intellektuell mehr zu als einem Donald Trump.“

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Comeback Donald Trump: Strafvereitelung entgehen und Midterms-Erfolg einheimsen

Ausgerechnet aus den eigenen Reihen droht Trump also vielversprechende Konkurrenz bei seinem Versuch, das Oval Office zurückzuerobern. Bekanntermaßen ist aber aus Sicht des Ex-Präsidenten neben Donald Trump nur Platz für Donald Trump. Als beinahe sicher gilt daher, dass Trump seine erneute Präsidentschaftskandidatur verkünden wird, statt für einen jüngeren Kandidaten wie Ron DeSantis zur Seite zu treten – da sind sich renommierte US-Medien wie Washington Post, New York Times und CNN einig. Die Vergangenheit zeigte, dass Trump mehr als bereit ist, seine eigene Partei für sein Streben nach Geltung in den Abgrund zu reißen, die Vereinigten Staaten inklusive.

Die brennende Frage lautet daher vielmehr: Wird Trump seine Kandidatur noch vor den Midterms verkünden? Tatsächlich wäre es sehr ungewöhnlich, den Hut derart verfrüht in den Ring zu werfen. Doch an Normen hat sich Donald Trump noch nie orientiert. „Trump hat gegenüber seinem engsten Kreis schon mehrfach mit der Idee gespielt, noch vor den Midterms seine Kandidatur anzukündigen“, sagt Brockschmidt. „Seine Strategie wäre es dann, früh den Platz zu belegen, und darauf zu hoffen, dass sich keiner traut – oder es für die Herausforderer ähnlich katastrophal verläuft wie 2016.“

Zu einer Kandidatur anstiften könnte Trump auch das Abbiegen einer möglichen Strafverfolgung, genießt ein:e US-Präsident:in doch Immunität. Die Razzia in Mar-a-Lago könnte die Verkündigung seiner Ambitionen also sogar beschleunigen. Bereits eine erneute Kandidatur könnte die Justiz ausbremsen und Trump dazu veranlassen, jede Ermittlung gegen seine Person als politische Intrige darzustellen. Und dann kommt noch die für ihn verlockende Aussicht hinzu, den wahrscheinlichen Midterms-Erfolg der Republikanischen Partei auf das eigene Konto zu verbuchen. Wie er es bereits im Zusammenhang mit der beunruhigenden Entwicklung des Supreme Court tat, war es doch Trump, der die rechten Richter:innen installierte, die heute das Oberste Gericht der USA dominieren. Macht geht über Moral.

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