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„Keineswegs ein Wetterballon“: Streit mit China eskaliert weiter – USA verraten nun, was drin steckte

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Von: Sven Hauberg

Die Zeichen stehen weiter auf Konflikt: Im Ballon-Streit mit China greift US-Präsident Biden nun Xi Jinping persönlich an und wirft Peking eine „Verletzung des Völkerrechts“ vor.

München/Washington/Peking – Mao Ning ist genervt. Seit Tagen muss Pekings Außenamtssprecherin Fragen internationaler Journalisten zum mutmaßlichen Spionageballon beantworten, der vor rund einer Woche über den USA entdeckt und schließlich über dem Atlantik abgeschossen worden war. Viel lieber als über den hochhausgroßen Heliumballon spricht Mao allerdings darüber, wie ihr Land den Erdbebenopfern im türkisch-syrischen Grenzgebiet hilft oder wie wichtig das chinesische Wirtschaftswachstum für die Weltwirtschaft sei. Die Ballon-Geschichte, das ist für sie ein „Hype“, der Abschuss eine „Überreaktion“, den USA wirft sie vor, einen „Informationskrieg“ zu führen.

Als am Freitagvormittag die Nachrichtenagentur AFP von Mao wissen wollte, welche Ausrüstung der Ballon, der laut China lediglich ein „ziviles Luftschiff“ zur Wetteraufklärung ist, an Bord habe, erwiderte sie nur: „Dazu habe ich keine Informationen.“

Deutlich auskunftsfreudiger ist die andere Seite in diesem Drama. Am Donnerstag erklärte das US-Außenministerium, der vom Himmel geholte Ballon habe über „mehrere Antennen“ verfügt und sei vermutlich in der Lage gewesen, „Kommunikation zu sammeln und zu lokalisieren“. Die Ausrüstung des Ballons habe „eindeutig der nachrichtendienstlichen Überwachung“ gedient und stimme „keineswegs mit der Ausrüstung von Wetterballons“ überein, hieß es weiter. Untersucht würden die aus dem Meer gefischten Überreste derzeit in einem FBI-Labor in Quantico.

Chinas mutmaßlicher Spionageballon: US-Präsident Biden attackiert Xi Jinping

Bei den Ballons, die nicht nur über den USA, sondern auch über Kolumbien, Venezuela und Costa Rica entdeckt wurden, handle es nicht um ein paar vereinzelte Irrläufer, so das US-Außenministerium weiter. Vielmehr betreibe China in mehr als 40 Ländern auf fünf Kontinenten ein Spionageprogramm, bei dem solche Flugobjekte eingesetzt würden. „Wir wissen, dass diese Ballons alle zu einer Flotte von Ballons der Volksrepublik China gehören, die für Überwachungszwecke entwickelt wurden“, erklärte ein hochrangiger Mitarbeiter des US-Außenministeriums. Woher man das weiß und warum man diese Informationen erst jetzt öffentlich macht, das behielt der Mann für sich. Nur so viel: Man habe die betroffenen Länder unterrichtet.

Politisch kommen aus den USA derzeit widersprüchliche Signale. Noch vor ein paar Tagen hieß es, der eigentlich fürs vergangene Wochenende geplanten Peking-Besuch von US-Außenminister Blinken sei nicht abgesagt, sondern lediglich verschoben worden. Zudem erklärte die US-Regierung stets, der Ballon habe keine große Gefahr für die Sicherheit des Landes dargestellt. Mittlerweile aber ist es nur schwer vorstellbar, dass Blinkens Regierungsflieger schon bald in Richtung Peking abheben wird: US-Präsident Joe Biden spricht neuerdings von einer „Verletzung des Völkerrechts“ durch Chinas Regierung, schließlich sei der Ballon in „unseren Luftraum“ eingedrungen, so Biden am Donnerstag in einem Fernsehinterview.

In einem FBI-Labor in Quantico werden die Überreste des chinesischen Ballons untersucht.
In einem FBI-Labor in Quantico werden die Überreste des chinesischen Ballons untersucht. © FBI/Imago

In einem anderen Interview ließ sich der Präsident gar dazu hinreißen, Chinas Staats- und Parteichef persönlich anzugreifen. Der sei in einer wenig beneidenswerten Position, schließlich sei die chinesische Wirtschaft derzeit am Schwächeln. „Fällt Ihnen irgendein anderer Staatschef ein, der mit Xi Jinping den Platz tauschen würde? Mir fällt keiner ein“, giftete Biden. Da hatte dann auch Mao Ning wieder etwas zu sagen: „Diese Art der Rhetorik der USA ist extrem unverantwortlich und widerspricht der grundlegenden diplomatischen Etikette“, erklärte Chinas Außenamtssprecherin.

Warum haben die USA den China-Ballon nicht früher vom Himmel geholt?

Dabei waren Bidens spitze Worte wohl eher für das heimische Publikum gedacht. Denn die US-Regierung muss sich zunehmend fragen lassen, warum sie dem China-Ballon erlaubt hatte, die gesamten USA zu überqueren, bevor sie das Ding schließlich von einem F22-Kampfjet über dem Atlantik abschießen ließ. Entdeckt worden war der Ballon offenbar bereits am 28. Januar, über den Aleuten, einer Inselkette, die sich von Alaska bis nach Russland erstreckt. Anschließend nahm er Kurs in Richtung Festland. Man habe mit dem Abschuss gewartet, um keine Menschenleben in den USA zu gefährden, rechtfertigte sich die US-Regierung. In einer geheimen Anhörung des US-Kongresses erklärten Regierungsvertreter laut CNN zudem, den Abschuss hinausgezögert zu haben, weil man militärischen Spannungen mit China oder sogar einen militärischen Konflikt befürchtet habe.

Vor allem die Republikaner werfen der Biden-Regierung dennoch vor, zu zögerlich gehandelt zu haben. „Fast jede Entscheidung, die Biden jemals in der Außenpolitik getroffen hat, war falsch. Immer wieder auf Neue“, erklärte zuletzt Kevin McCarthy, der Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses. „Sie hätten das Ding früher vom Himmel holen sollen.“

McCarthy ist übrigens jener republikanische Politiker, der wohl schon in den nächsten Wochen nach Taiwan fliegen wird, zu einem Treffen mit Präsidentin Tsai Ing-wen. Die Volksrepublik betrachtet das demokratisch regierte Land als Teil des eigenen Staatsgebiets und reagiert äußerst gereizt auf Besuche ausländischer Politiker. Beobachten konnte man das zuletzt, als McCarthys Vorgängerin Nancy Pelosi in Taipeh aus dem Flieger stieg; seitdem schickt Peking fast täglich Kampfjets in die Region.

Man darf gespannt sein, was Mao Ning zu sagen hat, wenn McCarthy dereinst in Taiwan landet. Nach einer baldigen Entspannung sieht es jedenfalls in der wohl wichtigsten bilateralen Beziehung der Gegenwart nicht aus. Vor allem die USA scheinen daran kein Interesse zu haben.

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