China präsentiert Putin seine Friedens-Initiative – USA hegen Verdacht auf mögliche Waffenlieferungen Pekings
Chinas Chefdiplomat Wang Yi ist in Moskau mit Wladimir Putin zusammengetroffen. Dabei stellte Wang Chinas angekündigte Friedensinitiative vor. Am Freitag will Xi Jinping dazu eine Rede halten
München/Moskau – Das erste öffentliche Symbol war der geringe Abstand. Chinas Chefdiplomat Wang Yi und Russlands Präsident Wladimir Putin saßen nur einen Handschlag voneinander entfernt. Chinas Staatschef Xi Jinping werde Russland besuchen, kündigte Putin an. Er betonte, die Beziehungen beider Länder hätten „neue Grenzen“ erreicht. Wang sagte zu Putin, dass die Beziehungen zwischen China und Russland „nicht dem Druck von Dritten unterliegen“ würden – eine Spitze in Richtung USA. Sonst ist wenig Zählbares von dem Treffen bekannt geworden. Denn der Rest der Begegnung fand hinter verschlossenen Türen statt. Eine Pressekonferenz gab es nicht; Putin verschwand anschließend zu einer Kundgebung zum Jahrestag des Feldzuges gegen die Ukraine am Freitag.

Symbolträchtig ist das Treffen im internationalen Zusammenhang. Wenige Tage vor dem Jahrestag des Ukraine-Krieges am 24. Februar reiste US-Präsident Joe Biden überraschend nach Kiew. Wang Yi dagegen flog zum Angreifer Putin. Und das nur einen Tag nach Putins Rede zur Lage der Nation, in der er mit schrillen Worten erneut dem Westen und den „Nazis“ der Ukraine die Schuld für den Beginn seiner „Spezialoperation“ gegeben hat. Die geopolitischen Fronten, sie scheinen weiterhin klar.
Warten auf Chinas Friedens-Initiative
Dabei hatte Wang auf der Münchner Sicherheitskonferenz überraschend eine Friedensinitiative angekündigt: „Wir werden etwas vorlegen. Und zwar die chinesische Position zur politischen Beilegung der Ukraine-Krise.“ Nach Angaben des russischen Außenministeriums hat Wang Yi seinen russischen Gesprächspartnern die chinesischen Vorschläge für ein Kriegsende unterbreitet. Die Besucher hätten „ihre Gedanken über die Grundursache der Ukraine-Krise mitgeteilt sowie ihre Ansätze für eine politische Lösung“, hieß es im russisch politisch korrekten Jargon. Für Freitag soll Xi eine „Friedensrede“ zur Ukraine vorbereitet haben.
Noch ist es rätselhaft, wie China sich überhaupt zwischen den Kriegsparteien als ehrlicher Konfliktlöser positionieren kann. Die Haltung der Volksrepublik lässt sich bestenfalls als „pro-russische Neutralität“ bezeichnen. Während China mit Russland regelmäßig hochrangige Treffen abhält, ist der Kontakt zur Ukraine gleich null. Es käme einer Sensation gleich, sollte Wang Yi von Moskau aus plötzlich in Kiew aufschlagen. Das Vertrauen der Ukraine in China ist seit Kriegsbeginn eher übersichtlich, auch wenn Kiew gerade einmal wieder Kontakt nach Peking aufgenommen hat, wie Präsident Wolodymyr Selenskyj kürzlich in einem Interview sagte.
Hinzu kommt: US-Außenminister Antony Blinken hatte auf der Münchner Sicherheitskonferenz gesagt, China erwäge Lieferungen „tödlicher Unterstützung“ an Russland. Dafür werde er demnächst Beweise vorlegen. EU-Chefdiplomat Josep Borrell sagte dazu, dass Waffenlieferungen Chinas an Russland die „Rote Linie“ der EU überschreiten würden. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg schloss sich den US-Warnungen am Dienstag an: „Wir sind zunehmend besorgt, dass China den Krieg Russlands tödlich unterstützen könnte.“ Ob Blinken wirklich Waffen meinte oder eher Produkte und Technologie, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden könnten, ist bisher unklar.
China und Russland: Wie wahrscheinlich sind Waffenlieferungen?
Wang und Putin äußerten sich dazu am Mittwoch nicht öffentlich. Chinas Außenamtssprecher Wang Wenbin hatte zuvor bereits die USA aufgefordert, nicht länger „falsche Informationen zu verbreiten. Es sind die USA und nicht China, die endlos Waffen auf das Schlachtfeld schicken.“ China habe den Vorwurf militärischer Lieferungen deutlich zurückgewiesen, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Mittwoch auf die Frage von Journalisten. „Dem ist nichts hinzuzufügen.“
Und so demonstrierten alle Beteiligten in Moskau vor allem eines: Einigkeit und Freundschaft. „Unsere Beziehungen entwickeln sich stetig und dynamisch, und trotz der großen Turbulenzen auf der Weltbühne demonstrieren wir Einigkeit und die Bereitschaft, die Interessen des jeweils anderen auf der Grundlage der Achtung des Völkerrechts und der zentralen Rolle der Vereinten Nationen zu verteidigen“, sagte Russlands Außenminister Sergej Lawrow nach seinem Treffen mit Wang am Mittwoch.
Wang Yi: Ende einer langen Europa-Tournee
Das Treffen mit Putin ist der Höhepunkt einer Phase intensiver diplomatischer Kontakte Wangs. Moskau ist der letzte Stopp auf Wangs Europa-Reise, die ihn in den vergangenen Tagen nach Paris, Rom, zur Münchner Sicherheitskonferenz und nach Budapest geführt hatte. Es waren keine einfachen Termine. Vor allem in München, wo er unter anderem mit US-Außenminister Antony Blinken zusammentraf, wehte ihm ein bisweilen kühler Wind entgegen. Das US-Außenministerium bezeichnete die Gespräche mit Wang als „sehr direkt“ und „ziemlich unverblümt“, Diplomatensprech für kontroverse Diskussionen.
Flankiert hatte Peking Wangs Reise mit mehreren Grundsatz-Dokumenten. Am Montag hatte das Außenministerium ein mehrseitiges Dokument mit dem Namen „Die US-Vorherrschaft und ihre Gefahren“ veröffentlicht. Wer friedliche Staaten als sein Einflussgebiet betrachte und dort einmarschiere, der bringe nur Tod und Zerstörung über die Menschen, hieß es dort – eine Kritik an den USA, die für einen Verbündeten des Ukraine-Aggressors Russland schon fast realsatirische Qualitäten aufweist. Einen Tag später gab China ein Konzeptpapier zu Xi Jinpings neuer „Globaler Sicherheitsinitiative“ (GSI) heraus. Mit der bisher relativ vage gehaltenen Initiative will China den Aufbau einer neuen weltweiten Sicherheitsarchitektur anführen, die allen Ländern „Sicherheit in einer gemeinsamen Zukunft“ verheißt und sich von der gegenwärtigen westlich angeführten Weltordnung unterscheidet. In einigen Schwellenländern stößt China damit durchaus auf offene Ohren, in Russland sowieso.