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„Nah an der Klippe“: Beendet die CDU die „Hinterzimmerklüngelei“? Entscheidung naht

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Von: Cindy Boden

CDU-Parteitag im Januar 2021: Wird es so ein ähnliches Bild bald wieder geben?
CDU-Parteitag im Januar 2021: Wird es so ein ähnliches Bild bald wieder geben? © Sepp Spiegl/Imago

Bestimmt die CDU ihren neuen Vorsitzenden durch eine Mitgliederbefragung oder auf dem Parteitag? Am Samstag steht eine Entscheidung an. Die Debatte ist hitzig.

Berlin - Die CDU* scheint dieser Tage notorisch gespalten: Es geht um die inhaltliche Ausrichtung, Geschlechterparität bei Ämtern oder auch die Frage, wie ein neuer Vorsitzender bestimmt wird: Diskussionen überall. Nach dem Bundestagswahl-Debakel kommt die Partei nicht zur Ruhe.

Besonders hitzig debattieren die Politiker das weitere Vorgehen zur Kür des Nachfolgers von Chef Armin Laschet*. Am Samstag (30. Oktober) steht mit der Kreisvorsitzendenkonferenz ein wichtiger Termin an. Sie berät, ob und wie bei der Wahl des Parteichefs die Mitglieder einbezogen werden. Mitgliederbefragung oder Parteitag?

CDU führt hitzige Debatte über Wahl des Vorsitzenden: Kreisvorsitzendenkonferenz für Mitgliederbefragung oder Parteitag?

An der Parteibasis gibt es Bestrebungen, einen neuen Vorsitzenden mittels Befragung der Mitglieder zu bestimmen. In Sachsen-Anhalt sprachen sich die Kreisverbandschefs in einer Schaltkonferenz am Donnerstagabend dafür aus, wie Teilnehmer der Deutschen Presse-Agentur sagten. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland ermittelte in einer Umfrage unter einem Fünftel der 325 Kreisverbände eine deutliche Mehrheit für ein Votum aller Mitglieder.

Auch der Außenpolitiker Norbert Röttgen, der als möglicher Anwärter für die Nachfolge von Laschet gehandelt wird, zeigte sich offen für eine Beteiligung der Basis. Grundsätzlich sei er zwar für das repräsentative Parteitagsprinzip, sagte er den Zeitungen der
Funke-Mediengruppe. Aber: „Wenn in dieser besonderen Lage ein beachtlicher Teil der Basis mitteilt, dass die Mitglieder aktiver Teil des Neuanfangs sein möchten und darum eine Mitgliederbefragung wünschen, dann begrüße und unterstütze ich das.“ Gleichzeitig sieht er große Herausforderungen für den künftigen Vorsitzenden: „Die Union ist zum ersten Mal in ihrer Stellung als Volkspartei gefährdet“, sagte Röttgen. „Wir stehen nah an der Klippe, können aber immer noch umsteuern.“

„Mitglieder haben Hinterzimmerklüngelei satt“: Junge Union und Werteunion für Mitgliederbefragung

Junge-Union-Chef Tilman Kuban sprach sich in der Rheinischen Post für eine Mitgliederbefragung bei mehreren Kandidaten für den Parteivorsitz* aus. Eine Befragung sei durch eine Urnenwahl in den Kreisgeschäftsstellen schnell umsetzbar. Dann könne auch der Parteitag noch in diesem Jahr stattfinden. Dieser wird sowie nötig, weil nach dem CDU-Parteistatut die Wahl des Vorsitzenden einem Parteitag vorbehalten ist. Dieser müsste also bei einer vorherigen Mitgliederbefragung zustimmen.

Eine fühlbare breite Mehrheit der Mitglieder in CDU und CSU und der Öffentlichkeit haben die Hinterzimmerklüngelei satt.

Bundesvorsitzender der Werteunion, Max Otte

Auch die Werteunion - ein Verein besonders konservative Unionsmitglieder - schloss sich dem Vorschlag eines Mitgliederentscheid zur Wahl des Vorstands und des Vorsitzenden an. „Eine fühlbare breite Mehrheit der Mitglieder in CDU und CSU und der Öffentlichkeit haben die Hinterzimmerklüngelei satt. Alles andere als eine Entscheidung der Basis besiegelt das Ende der CDU als Volkspartei“, sagte der Bundesvorsitzende Max Otte*.

CDU-Parteitag noch im Dezember? Möglicher Kandidat für den Chefposten: „Ich bin für eine Teamlösung“

Neben Jens Spahn, Friedrich Merz oder Ralph Brinkhaus gilt auch Unions-Fraktionsvize Carsten Linnemann als potenzieller Kandidat. Der Wirtschaftspolitiker fände es gut, wenn die Kreisvorsitzenden am Samstag für eine Mitgliederbefragung zur Neubestimmung der Parteispitze stimmten. Dies solle mit einer inhaltlichen Neuausrichtung verbunden werden, sagte er im ARD-„Morgenmagazin“. Er forderte darüber hinaus einen baldigen Parteitag. „Ich wäre dafür, den Bundesparteitag schon im Dezember stattfinden zu lassen.“

Linnemann appellierte an seine Partei, sich nach der Abhängigkeit von der langjährigen CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel* mit einem Team an der Parteispitze neu aufzustellen. In solch einem Team würde er auch mitwirken wollen. „Ich bin für eine Teamlösung und spiele in diesem Team gerne eine Rolle, in welcher Funktion auch immer.“ Seine Forderung nach einem schnellen Parteitag begründete Linnemann auch damit, dass im nächsten Jahr drei Landtagswahlen bevorstehen.

Mehrere Kreisverbände für Mitgliederbefragung nur zur Frage der Kanzlerkandidatur von CDU und CSU

Doch offenbar sind nicht alle Kreisverbände für eine Mitgliederbefragung zur Vorsitzendenfrage. 13 Kreisverbände hätten sich für eine solche Befragung nur als Instrument bei künftigen Entscheidungen über die Kanzlerkandidatur von CDU und CSU ausgesprochen, berichtet die Welt. Im April 2021 war es zu einem heftigen Gerangel zwischen Laschet und CSU-Chef Markus Söder* um den Posten gekommen.

Auch Laschet äußerte sich zuletzt skeptisch über eine Mitgliederbefragung. Ein Bundesparteitag sei „immer noch ein sehr gutes Instrumentarium, um die Breite der Partei abzubilden“, sagte der Noch-Parteichef beim „Deutschlandtag“ der Jungen Union*. Man solle nicht so tun, als entschieden Bundesparteitage mit mehr als 1000 Delegierten an der Basis vorbei. „Ich bin nicht prinzipiell dagegen“, sagte Laschet zur Frage der Mitgliederbefragung. „Wir können das mal machen.“ Man sollte aber auch anerkennen, dass es in Konsensgesprächen leichter sei als in Mitgliederbefragungen, mehr junge Leute und Frauen in Vorstandsposten zu bekommen. Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hält die Befragung der Mitglieder für den falschen Ansatz.

Würde Merz noch einmal bei Parteitags-Entscheidung antreten? Ansage im TV war klar

Ein Parteitag könnte Merz in Erklärungsnot bringen. Er hatte für eine Mitgliederbefragung geworben. „Ob ich nochmal für den Parteivorsitz kandidiere oder nicht, das ist eine Frage, mit der ich mich nicht abschließend beschäftigt habe“, sagte Merz in einem Talk bei „Maybrit Illner“ Anfang Oktober. „Ich schließe eines aus: Ich werde nicht noch einmal in eine streitige Abstimmung auf einem Bundesparteitag gehen.“ In den vergangenen Jahren unterlag er bei solchen Abstimmungen Annegret Kramp-Karrenbauer und Laschet.

Wichtig sei neben den Personalfragen aber auch weiterhin die nach Inhalten und der politischen Richtung, mahnte Baden-Württembergs Landtagsfraktionschef Manuel Hagel. Er machte sich aus diesem Grund in den Stuttgarter Nachrichten und der Stuttgarter Zeitung dafür stark, einen Parteitag erst im Januar oder Februar 2022 abzuhalten.

Am Samstag wird also eine wichtige Weichenstellung vorgenommen. Weiter geht es dann am Dienstag. Die CDU-Gremien treffen formal eine Entscheidung. (cibo/dpa/AFP) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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