Autos zum „Abfackeln“ gekennzeichnet - A49-Gegner äußern sich zu „Markierungen“ in Gießen

Diese Aktion in Gießen macht viele sprachlos: „Aktivisten", die Aufmerksamkeit für die angedrohte Räumung der Besetzung im Dannenröder Forst schaffen wollen, haben Autos markiert. Sie sollen damit "zum Abfackeln" freigegeben sein.
- In der Nacht wurden in Gießen zahlreiche Autos von Unbekannten beschmiert
- Rotes ‚X‘ an Autos führt zu zahlreichen Anzeigen
- "Bekennerschreiben" auf Indymedia aufgetaucht
- „Aktivisten“ verweisen auf Dannenröder Forst: „Autos gegen Bäume"
- Autos seien zum „Abfackeln" freigegeben
Update, 24.9.20, 12.52 Uhr: Wie stehen die Gegner des geplanten A49-Ausbaus im Dannenröder Forst zu den „Markierungen“ von Autos in Gießen, die in den vergangenen Tagen für Aufsehen gesorgt haben? Bisher war öffentlich keine Distanzierung bekanntgeworden. Nun äußert sich die „Aktionsgemeinschaft Schutz des Ohmtals“ in einem Schreiben in drei Sätzen.
Dort heißt es wörtlich: „Schmierereien an Autos sind eine Sachbeschädigung. Betroffene sind darüber zurecht aufgebracht. Zusätzlich schaden solche Handlungen dem Widerstand gegen die A49.“
Gießen: Immer mehr Anzeigen wegen "markierter" Autos - Ermittlungen in alle Richtungen
Update, 24.9.20, 11.13 Uhr: Die Zahl der beschmierten Autos in Gießen ist noch einmal gestiegen. Inzwischen sind bei der Polizei Mittelhessen rund 250 Anzeigen eingegangen. Aufgrund von Dopplungen könnten es letztlich einige Fälle weniger sein. Aktuell laufen die Ermittlungen im Stadtgebiet Gießen.
Derweil ist das sogenannte „Bekennerschreiben“ von der Plattform Indymedia verschwunden. Dort war es am Dienstag aufgetaucht. „Wir haben vorerst eine Menge großspurige Karren mit einem Streifen Farbe gekennzeichnet. Dies analog zu den Markierungen von Bäumen im Dannenröder Forst und anderswo, die wegen des nicht nachvollziehbaren und unzeitgemäßen Lückenschlusses der A49 gefällt werden sollen“, erklärte eine „Autonome Kleingruppe in Solidarität mit dem Dannenröder Forst“. Und weiter: „Die Nummernschilder der markierten Dreckschleudern wurden aufgezeichnet. Falls tatsächlich eine Räumung beginnt, werden wir diese dann aus dem Verkehr genommen. Sollte es gelingen, Nummernschilder zu tauschen oder die Fahrzeuge in der ‚heißen‘ Phase außerhalb der Stadtgrenzen zu parken, machen wir unmarkierte Ersatzautos platt.“
Diese Ankündigung ist inzwischen von Indymedia verschwunden. Von Seite der Aktivisten im Dannenröder Forst, die vor Ort gegen einen Ausbau der A49 in der geplanten Form protestieren, ist bisher keine Stellungnahme zu den Vorfällen in Gießen aufgetaucht.
Gießen: Autos zum "Abfackeln" markiert: Ermittlungen in alle Richtungen
Update, 23.9.20, 16.31 Uhr: Immer mehr Anzeigen über beschädigte Autos gehen bei der Polizei ein. Die Zahl der in der Nacht von Montag auf Dienstag im Stadtgebiet Gießen mit einem roten „X“ versehenen Autos, hat sich nach Angaben der Polizei auf über 200 erhöht. Die genaue Höhe des Schadens können die Ermittler nicht nennen; sie schätzen aber, dass dieser »im hohen fünfstelligen oder im niedrigen sechsstelligen Bereich« liege. Gegenüber dieser Zeitung bestätigt eine Polizeisprecherin außerdem, dass einige betroffene Autobesitzer die rote Farbe an ihren Fahrzeugen hätten entfernen können. Trotz des benannten Bezuges zum Protest gegen den Ausbau der A49 laufen die Ermittlungen der Kriminalpolizei in alle Richtungen.
„Der entstandene Schaden und das Drohen richten sich offenbar gegen unbeteiligte, zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger“, schreibt die Polizei in einer Mitteilung. „Mit einem demokratisch legitimierten Eintreten für den Wald gegen einen Ausbau der A49 haben diese Straftaten nichts zu tun. Wir hoffen, dass dieser Versuch der Eskalation keine Unterstützung erfährt - egal von wem.“
Scharfe Kritik gibt es vonseiten der CDU und des Kreis- und Stadtverbands der Jungen Union (JU) Gießen. Die JU betont, mit »Hetze, Aggressivität und Regelbrüchen« lasse sich ein gesellschaftlicher Diskurs über Umweltschutzthemen »nicht vernünftig führen und erst recht kein Umdenken in Gang setzen«. In die gleiche Kerbe schlägt auch CDU-Stadtverbandsvorsitzenders Klaus Peter Möller. Er betont, »dem gemeinsamen Wirken, schrittweise mit verschiedenen größeren und kleineren Maßnahmen die Klimaschutzziele zu erreichen«, sei ein Bärendienst erwiesen worden. Die »Klima-Aktivisten« hätten »völlig unbeteiligte Privatpersonen und Familien getroffen, die mit der teilweise aggressiv geführten Auseinandersetzung im Dannenröder Forst absolut nichts tun« hätten.
Mittlerweile ist das Hessische Landeskriminalamt für eine Gefährdungsbewertung eingebunden. Die Polizei nehme das Bekennerschreiben ernst und werde verstärkt präventiv präsent sein. Trotzdem sei es ihr alleine nicht möglich, sicher zu verhindern, dass willkürlich ausgewählte Autos in einer nicht bestimmten Umgebung beschädigt oder gar angezündet werden. Die Polizei geht außerdem Hinweisen zur Tat nach. Wer Angaben machen kann, meldet sich bei der Kripo unter der Telefonnummer 06 41/70 06-25 55. (khn)
Autos in Gießen „zum Abfackeln“ markiert: „Das ist eine Frechheit“
Update, 22.9.20, 18.49 Uhr: Ungläubig und verärgert reagieren einige der etwa 150 Gießener, die am Dienstagmorgen eine rote Markierung auf ihrem Auto vorfinden. Selbst wenn die Fahrzeuge nicht wie angedroht in Flammen aufgehen – den Schaden zu beheben, wird teuer. Die A49-Gegner haben Sympathien verspielt.
„Wie – ich bin auch betroffen? Ich sitze im Homeoffice und habe nichts mitgekriegt.« Entgeistert blickt die Tulpenweg-Bewohnerin die Reporterin vor ihrer Tür in Gießen an und dann um die Ecke zu ihrem Auto. Es stimmt, worüber die Nachbarn auf der Straße reden: Am Heck prangt ein roter, mit Lackfarbe aufgesprühter Strich. An etwa 150 Fahrzeugen im Stadtgebiet Gießen haben A49-Gegner eine „Freigabemarkierung zum Abfackeln“ angebracht, so ein anonymes Bekennerschreiben. Bei den Betroffenen lösen sie damit viel Ärger aus – auch bei solchen, die den Kampf um den Dannenröder Forst bisher durchaus mit einer gewissen Sympathie verfolgt haben.
Autos in Gießen „zum Abfackeln“ markiert: »Denen traue ich alles zu«
Am Dienstagmorgen rufen die ersten empörten Autofahrer bei der Polizei in Gießen an. Den ganzen Tag über folgen weitere Meldungen und Anzeigen, und mutmaßlich werden manche den Schaden erst in den nächsten Tagen bemerken. Mit nicht abwaschbaren Kreuzen oder Strichen »markiert« wurden über Nacht hochwertige Autos oder Modelle der oberen Mittelklasse, die in bürgerlichen Vierteln stehen; etwa im Gebiet Schlangenzahl, im Blumenviertel, an der Bergkaserne, im Wiesecker Neubaugebiet, im Altenfeldsweg oder am Kugelberg.
Die besprühten Fahrzeuge würden als erste »platt« gemacht, sobald die Polizei den Dannenröder Forst für die Rodung räumt, heißt es in einem Bekennerschreiben. »Wir möchten die Räumung verhindern oder den Preis hochtreiben.« Die Nummernschilder der Fahrzeuge seien notiert, heißt es weiter. Es nütze nichts, sie anderswo zu parken.
Handelt es sich »nur« um eine symbolische Drohung – oder müssen die Autobesitzer und ihre Nachbarn nächtliche Brandanschläge nahe ihren Häusern fürchten? Es wird lebhaft spekuliert, zum Beispiel im Tulpenweg, wo die Autos eng zusammen direkt neben Gärten stehen. »Denen traue ich alles zu«, sagt eine Anwohnerin düster.
Autos in Gießen „zum Abfackeln“ markiert: Aufgebrachte und verärgerte Bewohner
»Die tun sich keinen Gefallen«, meint ein Mann aus Gießen, dessen BMW besprüht wurde. »Sie erreichen nur, dass die Leute jetzt gegen sie sind.« Angst habe er nicht, und der rote Strich stört ihn nicht besonders. »Ich versuche ihn selbst zu entfernen, auch wenn die Polizei mir gesagt hat, dass das wohl nicht geht.«
Aufgebracht reagiert eine Selbstständige, deren schwarzer Volvo geleast ist. »Also muss ich ihn an der Stelle neu lackieren lassen. Das wird richtig teuer. Und ich habe gerade von der Versicherung gehört, dass ich 300 Euro Selbstbeteiligung zahlen muss.« Noch ärgerlicher sei der Stress und Zeitaufwand. »Ich kann ja den Protest verstehen gegen die Baumfällungen. Aber das ist eine Frechheit.« Sie setze sich in vielfältiger Weise für Natur und Solidarität ein. »Ich habe Obstbäume und ein Insektenhotel im Garten, eine Patenschaft für Orang-Utans, ich spende für die Tafel...«
Auch die eingangs erwähnte Ford-Besitzerin findet die Aktion sinnlos und kindisch. »Als könnte ich was dafür, dass ein Wald gerodet wird. Nicht jeder SUV ist ein Spritfresser. Unserer hat einen ganz niedrigen CO2-Ausstoß.« Getroffen würden nicht etwa »die Reichen«, sondern ganz normale Menschen ohne Garage.
Die Polizei in Gießen konnte die Höhe des Gesamtschadens bis zum Dienstagabend nicht beziffern. Die Ermittlungen laufen.
Autos in Gießen „zum Abfackeln“ markiert: Zahl der beschädigten Autos steigt deutlich
Update, 22.9.20, 17.22 Uhr: Wie die Polizei auf Nachfrage mitteilt, hat sich die Zahl der Anzeigen über beschmierte Autos weiter erhöht. Zur Zeit handele es sich um etwa 150 beschädigte Fahrzeuge. Alle befänden sich im Stadtgebiet von Gießen. Die Polizei ermittelt nach eigenen Angaben weiter die Hintergründe. In diesem Zuge werden auch weiterhin Zeugen gesucht. Hinweise bitte an Tel. 0641-7006-3755.
Update, 22.9.20, 09.12 Uhr: Inzwischen hat die Polizei weitere Details zu den „Markierungsarbeiten“ in der Nach in Gießen herausgegeben. Demnach sind inzwischen bereits rund 70 entsprechende Anzeigen zu beschmierten Autos eingegangen. „Aktivisten“ hatten auf der Plattform Indymedia erklärt, dass diese Fahrzeuge „aus dem Verkehr genommen“ werden, sofern im Dannenröder Forst Bäume gefällt werden. Von einer Freigabe zum „Abfackeln" ist die Rede.
Autos in Gießen „zum Abfackeln“ markiert: Inzwischen 70 Anzeigen - Zahl steigt „stetig“
In der offiziellen Polizeimeldung heißt es: „Mehrere hochwertige Fahrzeuge wurden in der Nacht zum heutigen Dienstag in der Innenstadt von Gießen mit einem roten ‚X‘ versehen. Das rote ‚X‘ wurde vermutlich mit Lack aufgebracht und ist entsprechend nicht abwaschbar. Es handelt sich somit um eine Sachbeschädigung, die nun entsprechend verfolgt wird.“
Autos in Gießen beschmiert: Hier wurden „Markierungen" an Autos gemeldet
Bisher sind 70 entsprechende Anzeigen von Autobesitzern eingegangen. Die Zahl sei am Morgen bisher aber „stetig“ gestiegen. Entsprechende „Markierungen“ seien etwa in folgenden Straßen in Gießen gemeldet worden:
- Schmalkaldener Weg
- Börnerweg
- Altenfedsweg
- Brumlikweg
- Kugelberg
- Am Erlenberg
- Mühläckerring
- Lilienweg
- Tulpenweg
- Sandweg
- Hohensteinring
Autos in Gießen „zum Abfackeln“ markiert: Polizei sucht dringend Zeugen
Die ersten Anzeigen waren bereits am sehr frühen Morgen, zwischen 4 und 5 Uhr eingegangen. Bisher beschränken sich die Fälle auf das Gießener Stadtgebiet. Die Polizei sucht nach den „Markierungen“ der „großspurigen Karren", wie es in dem Schreiben auf Indymedia heißt, dringend nach Zeugen und fragt: Wer konnte in der vergangenen Nacht im Stadtgebiet von Gießen entsprechende Beobachtungen machen und kann Hinweise zu verdächtigen Personen machen? Hinweise bitte an Tel. 0641-7006-3755.
Bei der Polizei heißt es abschließend: „Angesichts der im Bekennerschreiben formulierten Drohung erfolgt durch die Polizei zudem eine Gefährdungsbewertung und Betreuung der Betroffenen. In diesem Zusammenhang wird geprüft, ob über den Tatbestand der Sachbeschädigung hinaus weitere Straftatbestände erfüllt sind.“
Erstmeldung, 22.9.20, 08.23 Uhr: Dieses Schreiben auf der Plattform Indymedia sorgt für heftige Diskussionen in Gießen und Umgebung. Dort schreibt eine Gruppe: „Wir haben vorerst eine Menge großspurige Karren mit einem Streifen Farbe gekennzeichnet. Dies analog zu den Markierungen von Bäumen im Dannenröder Forst und anderswo, die wegen des nicht nachvollziehbaren und unzeitgemäßen Lückenschlusses der A49 gefällt werden sollen.“
Autos in Gießen beschmiert: „Freigabe zum Abfackeln" in Gießen
Die Ideen der „Aktivisten“: Autos gegen Bäume! Das macht die Gruppe deutlich: „Die Nummernschilder der markierten Dreckschleudern wurden aufgezeichnet. Falls tatsächlich eine Räumung beginnt, werden wir diese dann aus dem Verkehr genommen. Sollte es gelingen, Nummernschilder zu tauschen oder die Fahrzeuge in der ‚heißen‘ Phase außerhalb der Stadtgrenzen zu parken, machen wir unmarkierte Ersatzautos platt.“
Autos in Gießen „zum Abfackeln“ markiert: Etwa 50 Anzeigen bei der Polizei
Das Schreiben auf Indymedia, das mit „Autonome Kleingruppe in Solidarität mit dem Dannenröder Forst“ unterzeichnet ist, wurde am frühen Dienstagmorgen veröffentlicht. Dort heißt es, die „Markierungsarbeiten“ in Gießen hätten in der Nacht stattgefunden. Wie viele Autos beschmiert wurden, das ist aktuell noch unklar. Bei der Polizei sind entsprechende Anzeigen eingegangen. Von „etwa 50" ist zum aktuellen Zeitpunkt die Rede.
Autos in Gießen beschmiert: „Autos gegen Bäume" mit Bezug zum Dannenröder Forst
Umwelt- und Klimaschützer halten den Dannenröder Forst, auf den sich die "Aktivisten", die nun in Gießen Autos markiert haben, seit rund einem Jahr besetzt, um Rodungen für ein Autobahn-Projekt zu verhindern: Die A49 soll nach der Fertigstellung Kassel und Gießen verbinden. In der vergangenen Woche hatte es im Zuge der Räumung einer Barrikade eine erste größere Auseinandersetzung gegeben. (kw/mmf/fd)