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Traditionsgeschäft „Clemens“ schließt / Kein Nachfolger

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Von: Kerstin Biehl

Den Kundenkontakt zu pflegen, das war und ist Kerstin Keil (Mitte) sehr wichtig. Mit den Stammkundinnen Cornelia Gabler (links) und Sabine Blasius bleibt Zeit für einen kurzen Plausch.
Den Kundenkontakt zu pflegen, das war und ist Kerstin Keil (Mitte) sehr wichtig. Mit den Stammkundinnen Cornelia Gabler (links) und Sabine Blasius bleibt Zeit für einen kurzen Plausch. © Patrick Scheiber

Ein Blick auf den Schirmständer neben der Eingangstür lässt an diesem verregneten Vormittag auf reichlich Kundschaft schließen. Von außen ist der Andrang nicht gleich zu erkennen. Die großen Schaufenster von „Clemens wohnen und genießen“ sind seit Anfang März beklebt. „Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe“ steht dort in pinker Schrift auf gelbem Grund.

Hanau – Das Traditionsgeschäft am Marktplatz schließt. Innen herrscht viel Betrieb. In dem Laden direkt neben dem Neustädter Rathaus drängt sich die Kundschaft. Und wird nicht müde der Chefin mitzuteilen, wie schade die Schließung ist.

„Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht“, sagt Geschäftsinhaberin Kerstin Keil. Seit 20 Jahren leitet sie das „Clemens“, hat es damals, als 30-Jährige, von den Eltern übernommen. „Ich habe hier einen großen Teil meines Lebens verbracht. Schon als Kind bin ich zwischen den Regalen herumgelaufen“, sagt sie. Die heute 50-Jährige schließt aus privaten Gründen. „Ich habe den Entschluss nach Weihnachten gefasst. Er hat nichts mit einer finanziellen Schieflage oder ausbleibenden Kunden zu tun. Der Laden läuft super“, betont die Hanauerin.

Das wird auch an diesem Vormittag deutlich. Die Kunden geben sich gewissermaßen die Klinke in die Hand. Die Altersstruktur liegt bei 50 plus. „Das geht hoch bis 80 oder älter“, sagt Kerstin Keil.

Es sind die Menschen, die noch vor Ort kaufen. Mit Bestellungen im Internet können die meisten von ihnen nicht viel anfangen, teils wissen sie gar nicht, wie das funktioniert. „Ich habe gar kein Internet“, sagt etwa Gisela Weisbecker, die mit ihrer Freundin Irmgard Zinkhan regelmäßig aus Maintal ins „Clemens“ kommt. „Wir schätzen hier die tolle Qualität. So einen Laden findet man doch heutzutage gar nicht mehr. Mit derart ausgewählten und erlesenen Sachen“, sagen die Freundinnen. Im Internet bestellt Irmgard Zinkhan lediglich, wenn sie etwas gar nicht im stationären Handel bekommt. „Dass das "Clemens" schließt, tut uns so leid“, sind sie sich einig.

Diese Rückmeldung bekommt Geschäftsinhaberin Kerstin Keil dieser Tage häufig zu hören. „Das ist schon bewegend“, sagt sie. Wie bewegend, werde sie wohl erst realisieren, „wenn es wirklich vorbei ist“.

Bis dahin werden auch die Kundinnen Sabine Blasius aus Mittelbuchen und ihre Freundin Cornelia Gabler wohl noch ein paar Male vorbeischauen. „Hier gibt es alles für Haushalt und Deko. So einen Laden gibt es sonst nicht mehr. Wo sollen wir denn in Zukunft hin?“, fragen die beiden Frauen. Furchtbar sei es, denn: „Ich möchte nicht im Internet einkaufen“, sagt Sabine Blasius. „Ich möchte Blickkontakt, Beratung, ich möchte individuell bedient werden. Es ist einfach nett, wenn man miteinander sprechen kann und nicht, um einzukaufen, im Wohnzimmer auf den Bildschirm starrt.“

Cornelia Gabler kommt extra aus Frankfurt nach Hanau zum Shoppen. „Es gibt bei uns solche Läden oder kleine Boutiquen, wie Hanau sie hat, nicht mehr. Individuelle, Inhaber geführte Läden. Hanau ist eine gute Stadt zum Einkaufen.“ Aber, fügt sie hinzu, wenn es immer weniger derartige Geschäfte würden, werde Hanau auch uninteressant.

„Hanau versucht ja viel, die Stadt holt neue, kleine und individuelle Läden rein. Aber ob die alle bleiben werden? Sie müssen ja auch den entsprechenden Umsatz machen“, wissen die beiden Damen. „Auch Personal ist schwer zu finden heutzutage“, sagt Cornelia Gabler, die in Frankfurt selbst ein Geschäft führt, Leder-Gabler in der Töngesgasse. Seit einem halben Jahr suche sie dort nach einer Verkäuferin.

Was die Zukunft des Einkaufsstandorts Hanau betrifft, zeichnen die beiden ein düsteres Bild. „Da wird es keine geben“, sagen sie. „Es geht alles in Richtung online. Nicht nur in Hanau.“

Ob diese Prognose tatsächlich Realität wird, wird Kerstin Keil als „Clemens“-Geschäftsführerin jedenfalls nicht mehr erleben. Für ihren Laden würde sie sich liebend gerne einen entsprechenden Nachfolger wünschen. Aber: „Wir konnten bisher niemanden finden“, sagt sie. „Dabei ist die Kundschaft auf jeden Fall vorhanden, vor allem die 50- bis 80-Jährigen. Diejenigen, die die Ware sehen wollen, anfassen wollen, Inspiration für mögliche Dekoration bekommen wollen. So etwas kann eben nur ein Ladengeschäft bieten.“

Der Mietvertrag des „Clemens“ in der städtischen Immobilie ist schon gekündigt. Genauso wie die fünf Angestellten. Mit „Clemens wohnen und genießen“ geht damit eine Ära zu Ende.

Von Kerstin Biehl

Räumungsverkauf bei „Clemens“ am Marktplatz. Bis Mai soll der Laden leer sein.
Räumungsverkauf bei „Clemens“ am Marktplatz. Bis Mai soll der Laden leer sein. © -

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