Kreisfreiheit: Stadtparlament beschließt Grenzänderungsvertrag

Ein applaudierender und zustimmend nickender Oberbürgermeister – das sieht man selten nach Abstimmungsergebnissen im Stadtparlament. Doch angesichts des weiteren Meilensteins, den das Gremium auf dem Weg zur Kreisfreiheit am Montagabend gesetzt hat, ist die offen gezeigte Zufriedenheit Claus Kaminskys (SPD) nachvollziehbar.
Hanau – Die Stadtverordnetenversammlung beschloss einstimmig den sogenannten Grenzänderungsvertrag – er erlaubt die Grenzen eines Landkreises durch Ausgliederung einer Gemeinde zu ändern – über die Rechtsfolgen und die Auseinandersetzung der Ausgliederung der Stadt Hanau aus dem Main-Kinzig-Kreis. Zudem wurde darüber abgestimmt, im Rahmen der Haushaltsplanung 2024/2025 und der Mittelfristplanung 2026 und 2027 entsprechende Haushaltsmittel einzuplanen.
Der Oberbürgermeister sprach am Montagabend von einer „epochalen stadthistorischen Entscheidung“ und betonte, keinen Zweifel daran zu haben, dass Hanau alle Aufgaben, die mit der Kreisfreiheit verbunden sind, etwa die Übernahme der Kreisstraßen im Stadtgebiet von Hanau und der Limesbrücke, in eigener Verantwortung regeln kann.
„Wir sind gemeinsam mit dem Kreis in partnerschaftlich kollegialen Gesprächen zu guten Ergebnissen gekommen. Künftig werden wir zwei starke Partner auf Augenhöhe sein“, so der Oberbürgermeister, der zudem betonte, dass man dort, wo man schon jetzt gemeinsam unterwegs sei, wie beispielsweise beim Haus des Jugendrechts oder der Sparkasse, gute Ergebnisse erziele. „Und wenn es sich bewährt, kann man auch das Gesundheitsamt aus einer Hand gestalten, ja, warum denn nicht?“, zeigte der OB Möglichkeiten auf. Aus einer Hand, aus einem Guss, zu Gunsten der Arbeits- und Sozialpolitik mit dem Haus des Erwerbslebens als besonderem Aushängeschild, das auf den Weg gebracht wird. Auch interfraktionell sei man bei diesem Projekt „sehr gemeinschaftlich unterwegs gewesen“, freute sich Kaminsky.
Nachdem Ute Schwarzenberger (SPD) als Vorsitzende des Haupt- und Finanzausschusses über dessen einstimmige Empfehlung zum Grenzänderungsvertrag berichtete, hatten die Fraktionssprecher jeweils fünf Minuten Zeit für ihre Stellungnahmen zur Beschlussvorlage.
Schwarzenberger, die auch für die Sozialdemokraten ans Mikrofon trat, betonte, dass ihre Genossen alle sehr froh seien, „zum 1. Januar 2026 eine selbstständige, eigenständige Großstadt im Wirtschaftsraum Rhein-Main zu werden.“ Man habe eine Win-win-Situation für Stadt und Kreis auf dem Tisch liegen und werde „Partner für die Zukunft bleiben. Wir haben viel gutes Miteinander erlebt beim Werden dieses Auseinandersetzungsvertrags“, so Schwarzenberger.
Für Isabelle Hemsleys CDU ist der Grenzänderungsvertrag nicht nur eine „doll Sach“, die Hanau als Großstadt im Osten der Rhein-Main-Region stärkt. Die Kreisfreiheit biete zudem die Möglichkeit, durch den Aufbau neuer Strukturen die Verwaltung moderner aufzustellen. Der Wirtschaftsstandort Hanau werde gestärkt, man werde sichtbarer für Unternehmen. „Und wir können wichtige Aufgaben in der kommunalen Daseinsfürsorge selbst übernehmen.“
Stefan Weiß von den Grünen betonte, immer davon überzeugt gewesen zu sein, dass die Kreisfreiheit der richtige Weg ist. „Eine Stadt von unserer Größe muss ihre Aufgaben selbst erledigen. Das schärft das Profil der Stadt. Doch es hat sich auch gezeigt, dass es an vielen Punkten klug sein kann, weiterhin mit dem Kreis zusammenzuarbeiten.“ Es werde im Zuge der Kreisfreiheit also keine Schranken und Betretungsverbote geben, sondern vielmehr die Begeisterung dafür, etwas zusammen zu machen, so Weiß.
Henrik Statz (FDP) sprach von einem neuen Kapitel im Geschichtsbuch der Stadt. „Wir können mehr vor Ort selbst entscheiden. Freiheit finden wir Liberalen von Haus aus nicht schlecht.“
„Außerhalb der politischen Blase ist sie kein Thema“, stellte Jochen Dohn (Die Fraktion) fest und machte damit darauf aufmerksam, dass die Kreisfreiheit in weiten Teilen der Bevölkerung noch nicht angekommen sei. Auch er stellte die positiven Effekte für die Stadt Hanau heraus, hätte sich aufgrund der „so wichtigen Entscheidung“ aber einen Bürgerentscheid gewünscht.
Bert-Rüdiger Förster sagte, er habe anfangs große Bedenken wegen des Vorhabens gehabt, doch weil Hanau eine Entwicklung hingelegt habe, die seinesgleichen sucht, habe er einen Sinneswandel vollzogen und sei „geflasht“, so der Republikaner.
Anne-Dorothea Stübing (BfH) betonte, dass es für ihre Fraktion wichtig gewesen sei, dass sich weder Stadt noch Kreis durch diesen Schritt verschlechtern. „Wir sind davon überzeugt, dass die Vorteile für beide Seiten überwiegen. Künftig werden wir zwei starke Stimmen im Osten der Rhein-Main-Region haben.“
Selma Yilmaz-Ilkhan (WSH und HBU) betonte die Möglichkeit einer bürgernahen Verwaltung, die dieser Schritt mit sich bringe, sowie die Stärkung der lokalen Identität und des Gemeinschaftsgefühls. „Es ist die Chance, unsere Stadt noch lebenswerter zu machen.“
Von Kerstin Biehl