1. Startseite
  2. Hanau

Anschlag von Hanau: Gerichtsmedizin und Polizei widersprechen sich

Erstellt:

Von: Yvonne Backhaus-Arnold

19. Februar 2023: Auch am dritten Jahrestag der rassistischen Morde in Hanau wird an die Opfer erinnert – hier auf dem Oranienplatz in Berlin.
19. Februar 2023: Auch am dritten Jahrestag der rassistischen Morde in Hanau wird an die Opfer erinnert – hier auf dem Oranienplatz in Berlin. © Annette Riedl/dpa

Der Untersuchungs-Ausschuss zum Hanauer Anschlag versucht, offene Fragen zum Abschied von den Opfern zu klären. Es gibt Unstimmigkeiten zwischen Aussagen des BKA und der Rechtsmedizin.

Wiesbaden - Es ist sicher eines der sensibelsten Themen des Untersuchungsausschusses zum rassistisch-motivierten Anschlag von Hanau: die Obduktionen der Getöteten und die unmittelbare Kommunikation dazu mit den Angehörigen.

Bei der jüngsten Sitzung des Ausschusses im Februar hatte ein Arzt des Frankfurter Instituts für Rechtsmedizin erklärt, dass das Institut ein Abschiednehmen vorbereitet hatte. Die Angehörigen hätten sich dort am Sonntag nach der Tat von den Toten verabschieden können.

Da die Rechtsmedizin jedoch nicht selbst auf Hinterbliebene zugehen darf, hätten die Ermittelnden vor Ort das Angebot weitergeben müssen. Warum dies nicht geschehen ist, konnte auch in der aktuellen Sitzung am Montag nicht aufgeklärt werden.

Während der Rechtsmediziner davon gesprochen hatte, die Information an den BKA-Beamten K. weitergegeben zu haben, konnte der sich gestern an nichts dergleichen erinnern. Es habe kein solches Gespräch gegeben und er habe auch keine Kenntnis von der Kommunikation mit den Familien gehabt, so der 49-Jährige, der die Obduktionen begleitet und dabei die Spurensicherung übernommen hat.

Anschlag von Hanau: „Das ist natürlich enttäuschend für die Angehörigen“

So oder so: Die Familien wurden nicht informiert. „Das ist natürlich enttäuschend für die Angehörigen“, brachte es Marius Weiß, der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, auf den Punkt.

Der Bestatter von mehreren Todesopfern, der gestern ebenfalls als Zeuge gehört wurde, hat die Arbeit der Rechtsmediziner gelobt. Sie seien sehr sensibel mit den Leichnamen umgegangen, indem sie nach der Obduktion etwa auch Schusswunden genäht hätten, sagte er. Auch hätten sie den Toten Talare angezogen, dies habe er zuvor nie erlebt.

Seine Firma habe drei Leichen muslimischer Opfer von der Rechtsmedizin abgeholt und nach Hanau gebracht, dort hätten die Familien am nächsten Tag die rituelle Waschung vorgenommen. Nachdem die Gewebeproben eineinhalb Jahre später freigegeben worden seien, habe er diese ebenfalls abgeholt und in aller Stille beerdigt.

Armin Kurtovic, Vater des ermordeten Hamza, hatte sich bei seiner Zeugenaussage im Untersuchungsausschuss entsetzt über den Zustand des Körpers seines Sohnes gezeigt. So hätten in der Leiche noch Nadeln gesteckt. „Ich erinnere mich nicht an eine Nadel“, sagte der Bestatter.

Anschlag von Hanau: Kritik an der Arbeit der Behörden

Überlebende und Angehörige üben im Ausschuss Kritik an der Arbeit der Behörden. Dazu gehört ein heute 23-jähriger Mann, der bei dem Anschlag in der Arena-Bar gewesen war und schwer an der Schulter verletzt wurde. Die ersten Polizisten und Sanitäter vor Ort seien, so der Zeuge, nicht zu ihm und seinen beiden Freunden gekommen, sondern „gechillt“ bei ihren Fahrzeugen geblieben. „Dass sie uns nicht entgegengekommen sind, war für mich ein Schockmoment“, so der Überlebende.

Der Untersuchungsausschuss zum Anschlag von Hanau nähert sich seinem Ende. Terminiert sind noch drei weitere Sitzungen am 5., 22. und 31. Mai im Hessischen Landtag. Die Sitzungen sind öffentlich. (Yvonne Backhaus-Arnold)

Auch interessant