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Jutta Wilke: Alleinerziehend von der Anwältin zur erfolgreichen Autorin

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Von: Kerstin Biehl

Das Esszimmer von Autorin Jutta Wilke ist gleichzeitig Bibliothek – mit Büchern hat sich die Hanauerin schon immer gern umgeben.
Das Esszimmer von Autorin Jutta Wilke ist gleichzeitig Bibliothek – mit Büchern hat sich die Hanauerin schon immer gern umgeben. © Patrick Scheiber

Leicht, sagt Jutta Wilke, sei er nicht gewesen, der Weg zur Autorin. Doch heute weiß die 60-Jährige, dass es sich gelohnt hat, aus den vorgegebenen Bahnen auszubrechen. Die fünf Kinder alleine großzuziehen. Den sicheren Beruf der Anwältin an den Nagel zu hängen. „Um das zu tun, was ich doch immer wollte: Schreiben“, sagt sie.

Hanau – Es ist ein frostiger Februarmorgen, an dem Jutta Wilke uns in ihr Zuhause im Tümpelgarten einlädt. Bereits von der Straße aus wird klar: Hier lebt jemand mit Liebe fürs Detail, für die schönen Dinge, für Kleinigkeiten, die es manchmal auch erst auf den zweiten Blick zu entdecken gilt.

Mit einem herzlichen Lachen öffnet uns die Schriftstellerin die blaue Haustür zu ihrem Reich. Barfuß. Bei Minustemperaturen. „Strümpfe“, sagt Wilke, „trage ich ausschließlich in Wander- und Skischuhen.“

Auf dem Küchentisch liegt ihr Schreibzeug. Wilke schreibt klassisch, Stift und Papier sind ihr Handwerkszeug. „Der Laptop kommt erst zum Einsatz, wenn ich fertig bin.“ Zwar hält das Haus mittlerweile, da nur noch drei der fünf Kinder Wilkes daheim wohnen, freie Zimmer bereit, in die sie sich zum Schreiben zurückziehen könnte. „Mein liebster Arbeitsplatz ist aber nach wie vor der Küchentisch. Hier hatte ich früher alles im Blick, als die Kinder noch beaufsichtigt werden mussten und meine Hilfe brauchten.“ Vom Gewusel und Lärm um sie herum ließ und lässt sie sich bis heute nicht aus der Ruhe bringen, schreibt mittlerweile auch gerne in Cafés.

Dort und zuhause ist ihr neuester Kinderroman „Der Tag, an dem Lotto-Werner verhaftet wurde“ entstanden. Es ist die Fortsetzung vom „Karlgeheimnis“ und damit der Geschichte um Emil und Finja. Um die ersten Gefühle füreinander geht es im zweiten Teil. Und natürlich um einen Kriminalfall, den es für die Kinder zu lösen gilt.

2010 hat Jutta Wilke ihren ersten Roman veröffentlicht. „Ich war so stolz“, erinnert sie sich. Denn damit hatte sie sich einen Wunsch erfüllt, der schon seit der Jugendzeit in ihr schlummerte. Und den es lange brauchte, geweckt zu werden.

Drei Standbeine hat die gebürtige Hanauerin inzwischen. Neben der Schriftstellerei bietet Wilke Schreibkurse für Kinder und Erwachsene an und arbeitet als Buchhändlerin in einem Hanauer Buchladen. Früher, als die Kinder klein waren, sei das undenkbar gewesen. „Da konnte ich anfangs nur schreiben, wenn sie in der Schule waren.“

Vier Jungs und ein Mädchen hat Wilke. Die Älteste ist mittlerweile 32 Jahre, der Jüngste 17. Weil die ehemalige Anwältin von dem, was sie damals als Neuling im Autorengeschäft verdiente, als alleinerziehende Mutter nicht leben konnte und in ihren alten Beruf nicht zurückkehren wollte, hat sie angefangen, Zeitungen auszutragen. „Es war ein Knochenjob. Bei Wind und Wetter von halb fünf bis sieben Uhr“, erinnert sie sich. Dazu die kleinen Kinder. Die hat sie geweckt, als sie von der Arbeit nach Hause kam. „Ich war ja immer in der Nähe, als sie noch geschlafen haben, ich habe immer hier im Umkreis ausgetragen.“

Dann Frühstück machen, die Kleinen zur Schule schicken. Und dann, endlich, ging’s ans Schreiben. „Es war anstrengend. Aber auch toll.“

Irgendwann kamen die ersten Anfragen für Lesungen und damit mehr Geld in die Haushaltskasse. Die Kinder wurden größer und Wilke nahm eine Anstellung in einem Buchladen an. Dann kam die Schreibwerkstatt hinzu.

Kraft für ihre vielfältigen Aufgaben schöpfte und schöpft Jutta Wilke in der Natur. Auf Wanderungen, beim Radfahren oder der Gartenarbeit. Und sie sagt: „Ich habe mir nie den Stress gemacht, den andere sich machen.“ Was sie damit meint? Sie sehe Vieles einfach gelassener. Sie habe ihre Kinder schon früh zur Selbstständigkeit erzogen. „Und ich habe auch viel laufen lassen und vertraut. Ich war da locker. Und es hat ja auch funktioniert.“

Was sie rückblickend als am Herausfordernsten betrachtet, ist die Elternarbeit, die man für seine Kinder während der Schulzeit leisten müsse.

„Du musst ganz oft mithelfen, mitarbeiten, du musst als Eltern immer mehr leisten, damit deine Kinder in der Schule dabei bleiben.“ Der jüngste ihrer Söhne ist mittlerweile in der zehnten Klasse. „Unterstützung brauchen die Kinder jetzt immer weniger.“ Da bleibt Zeit für die vielen Ideen, die die Schriftstellerin mit sich trägt. „Ich habe viel zu viel im Kopf, als dass ich abwarten könnte, bis ein Buch veröffentlicht ist, bevor ich ein neues beginne“, sagt sie. Deshalb arbeite sie auch meist an mehreren Dingen gleichzeitig.

Obwohl Jutta Wilke mit der Zeit geht, hat sie mit Beginn der Fastenzeit ihren Instagram-Account gelöscht. Ein Zeitfresser sei er gewesen. Zudem habe sie sich oft dabei ertappt, in Instagram-tauglichen Fotos zu denken. „Wie genau muss ich jetzt die Kaffeetasse platzieren, damit ein interessantes Foto herauskommt.“ Damit ist jetzt Schluss. Über ihre Internetseite sei sie ja weiterhin im World Wide Web sichtbar. Und Akquise, die betreibe sie ohnehin lieber auf die konventionelle Art.

Dadurch kommt sie auch zu den vielen Lesungen, die sie deutschlandweit herumführen. Aber auch in der Schweiz liest sie aus ihren Büchern vor, im Herbst sogar drei Wochen lang.

Heute will Wilke noch ein bisschen für die Schreibwerkstatt vorbereiten, die sie morgen an der Hola abhält. Der Schule übrigens, die sie einst selbst besucht hat und an der sie, nachdem vor ihr Bürgermeister Axel Weiss-Thiel das Amt inne hatte, zur ersten weiblichen Schülersprecherin gewählt wurde. „Und damals hieß die Schule sogar noch ‘Gymnasium für Knaben’“, erinnert sie sich.

Zum Abschied führt uns Wilke noch an ihrer Schriftstellertreppe vorbei. Jeder Stufe ist ein Autor beziehungsweise Werk gewidmet. Die jeweiligen Schriftarten verraten, was zusammengehört.

Und ein Blick ins Gästeklo dürfen wir auch werfen und sind leicht verwundert, als Jutta Wilke den Klodeckel hochklappt. „Zaubereiministerium“ ist dort auf der Innenseite zu lesen. Ein Insider für Harry Potter Fans, so wie Wilke einer ist.

Weitere Infos

„Der Tag, an dem Lotto-Werner verhaftet wurde“, von Jutta Wilke, erschienen im Verlag Coppenrath, 228 Seiten, 15 Euro. Weitere Informationen im Internet unter juttawilke.de.

Von Kerstin Biehl

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