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Starke und mutige Frauen gehören zum Leitbild der Großauheimer St.-Josef-Schule

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Von: Patricia Reich

Die Schulsprecherinnen Charlotte Loll und Ilayda Yürekli stoßen bei den Schulleiterinnen Petra Höller-Gauser (rechts) und Julia Kreutz immer auf offene Ohren.
Die Schulsprecherinnen Charlotte Loll und Ilayda Yürekli stoßen bei den Schulleiterinnen Petra Höller-Gauser (rechts) und Julia Kreutz immer auf offene Ohren. © Patricia Reich

Die Debatte, ob monoedukative Schulen noch zeitgemäß oder antiquiert sind, ist nicht neu. Schulen nur für Jungen sind in Deutschland mittlerweile eine absolute Seltenheit, aber auch reine Mädchenschulen sind mit rund 130 Stück rar. Die meisten gibt es noch im Süden des Landes. In Hessen sind sechs verzeichnet, darunter zwei Realschulen. Eine ist die idyllisch am Großauheimer Mainufer gelegene St.-Josef-Schule.

Großauheim – Im Verwaltungsgebäude hat Schulleiterin Petra Höller-Gauser von ihrem Büro aus durch die großen Fenster einen guten Blick auf das Haupthaus. Gerade hat sie die Zusagen für die zukünftigen Fünftklässler verschickt. „85 Neuanmeldungen sind eingegangen. 52 Plätze hatten wir zu vergeben“, gibt die Leiterin der Privatschule für Mädchen, deren Träger das Bistum Fulda ist, Auskunft. Die Mädchenrealschule St. Josef ist eine kleine Schule. 306 Schülerinnen werden aktuell von 29 Lehrkräften unterrichtet. Hauptsächlich Lehrerinnen – nur fünf Lehrkräfte sind männlich.

„Ausschlaggebend für eine Anmeldung bei uns ist für die Eltern der familiäre Charakter, unsere wunderschöne Lage, die gehobene Ausstattung, dass die Kinder sich hier behütet fühlen können und wir einen guten Ruf haben“, weiß die Schulleiterin aus Erfahrung zu berichten, was auch Eltern zukünftiger Schülerinnen unserer Zeitung gegenüber bestätigten. „Die Mädchen wollen zu uns, weil sie sehr genervt von Jungs sind und sich durch sie im Unterricht gestört fühlen. Sie sagen: Endlich mal nur Mädchen“, fährt die zweifache Mutter einer Tochter und eines Sohnes schmunzelnd fort. Auch würden die Eltern bewusst den Realschulzweig wählen, da ihnen meist klar sei, dass der Weg nach oben offen ist. „Zwei Drittel unserer Schülerinnen besuchen nach ihrem Abschluss ein Gymnasium.“ Generell erlange der Großteil der Absolventinnen einen qualifizierenden Realschulabschluss.

Mädchen sind in Naturwissenschaften viel selbstbewusster

Eine reine Mädchenschule bringe viele Vorteile mit sich, zeigt sich Höller-Gauser überzeugt. „Ich habe das Gefühl, dass die Schülerinnen hier frei sind. Sie weisen ein starkes Sozialverhalten auf, sind fürsorglich, denken mit und werden nicht gebremst.“ Vielmals wird das Argument vorgebracht, dass Mädchen sich, wenn sie unter sich sind, leichter für naturwissenschaftliche Fächer begeistern lassen. Das sei so auch an der St.-Josef-Schule, bestätigt die Schulleiterin. „Sie sind in den Naturwissenschaften viel selbstbewusster.“

Bekräftigt wird sie von ihrer Stellvertreterin Julia Kreutz, die als Chemielehrerin direkt aus ihren Erfahrungen sprechen kann. „Anfangs haben die Mädchen oftmals Angst, beispielsweise Experimente durchzuführen, aber dann blühen sie regelrecht auf, stellen Hypothesen auf, forschen.“ Höller-Gauser fügt hinzu: „Bei uns können sich die Mädchen nicht wegducken. Ich denke, dass Mädchen sich in den allgemeinen Schulen selber ausbremsen.“

Lehrerinnen gehen als Vorbild voran

Dass es sich bei der Großauheimer Schule aber um eine Privatschule handelt, in der die Lehrkräfte „handverlesen“ sind, wie Höller-Gauser anmerkt, und die Schülerinnen nicht zuletzt aufgrund der hochwertigen Ausstattung eine optimale Förderung genießen, spiele natürlich auch mit ein, sagt Kreutz.

„Es ist ein Zusammenspiel von allem. Ausschlaggebend ist aber, dass die Mädchen sich hier sehr gesehen und wahrgenommen fühlen.“ Auch habe es selbstverständlich viel mit der Lehrkraft zu tun, meint Kreutz. „Wenn man sie begeistern kann, dann ziehen sie auch mit.“ Sie selbst steht dabei quasi als Vorbild vor ihren Schülerinnen. „Ich bin eine Frau und habe Chemie studiert. Es ist gut, dass wir zeigen, dass auch Frauen MINT-Fächer unterrichten.“ So sind es Lehrerinnen, die die Lego-Roboter- und die Astronomie-AG leiten und die MINT-Projekte betreuen. „Wir haben viele taffe Frauen“, bilanziert Höller-Gauser, die seit 27 Jahren die St.-Josef-Schule leitet. „Und total selbstbewusste Mädchen. Mit Jungs wäre es eine ganz andere Atmosphäre. Es wäre gebremster.“

Schulsprecherinnen sehen klare Vorteile

Die beiden Schulsprecherinnen Ilayda Yürekli und Charlotte Loll bestätigen den Eindruck der Schulleitung. „Ich habe hier gelernt, viel für mich selber zu machen und habe meinen eigenen Selbstwert herausgefunden“, erzählt Yürekli. Als die heute Zehntklässlerin damals auf die Schule kam, habe sie sich keine großen Gedanken darüber gemacht, dass es eine reine Mädchenschule ist. „Mein Vater sagte, es ist eine tolle Schule. Jetzt nach sechs Jahren kann ich sagen, es war gut, dass ich hier bin.“ Man lerne sich als Frau so zu akzeptieren, wie man ist und es gebe keinen Konkurrenzkampf zwischen Jungen und Mädchen.

An der St. Josef wird den Schülerinnen vorgelebt, dass Frauen viel erreichen können.
An der St. Josef wird den Schülerinnen vorgelebt, dass Frauen viel erreichen können. © Patricia Reich

Loll hingegen hat den direkten Vergleich, denn sie wechselte von einem Hanauer Gymnasium auf die St. Josef. „Hier stören keine Jungen den Unterricht, man wird nicht abgelenkt. Jungen sind anders als wir Mädchen in der Schule, sie wollen Aufmerksamkeit. Mädchen sind viel leiser und man wird auch nicht so oft von einem Lehrer angemotzt.“ Zickenkriege gebe es auch aus dem Grund nicht, weil es keine Jungen gibt, die diesen direkt oder indirekt provozieren könnten. Hier könnten die Mädchen sie selbst sein, müssten sich nicht verstecken oder verstellen. Auch die Lehrer, so berichtet Loll weiter, seien offener, freundlicher und würden mehr auf die Wünsche und Anregungen eingehen. Auf dem Gymnasium hatte sie den Eindruck, dass ihr damaliger Mathematiklehrer den Jungen mehr zugetraut und diese bevorzugt habe.

Besonders gefalle Loll, dass ihr Lehrer an der St. Josef die Mädchen immer mit den Worten ermutige: „Ihr seid junge Frauen, steht für eure Rechte und Überzeugungen, lasst euch nicht unterbuttern, glaubt an euch selbst und steht für euch ein.“ Auch dass an der St. Josef Frauen wie Marie Curie, die Dinge erfunden und entwickelt haben, im Unterricht in den Vordergrund gerückt werden, begrüßen die Mädchen.

Eine Nische, die in dieser Form funktioniert

Beliebt sind aber auch Fächer wie „Kreatives Gestalten“ oder Nähen. Im Fachbereich Hauswirtschaftslehre lernen die Mädchen nicht nur zu kochen, sondern auch Einkaufslisten und Kalkulationen zu erstellen. „Das sind Grundfertigkeiten, die viele leider nicht mehr beherrschen“, sagt Höller-Gauser, daher sei es absolut zeitgemäß, dies in der Schule anzubieten. „Es geht nicht darum, die treu sorgende Hausfrau zu werden, wie Außenstehende manchmal meinen, sondern darum, das Leben eigenständig beschreiten zu können“, erklärt Yürekli, die später Jura studieren möchte. „Bei uns ist es gleich ein Klischee, wenn es an anderen Schulen angeboten wird, wird es als innovativ gefeiert.“

Die beiden Schulsprecherinnen werden bald auf ein Gymnasium wechseln. Ein wenig Angst vor dem großen Unbekannten hat Yürekli schon. Laut Kreutz hätten die St.-Josef-Absolventinnen aber ihres Wissens nach keine Probleme, sich in einem „normalen“ Schul- oder Arbeitsalltag zurechtzufinden.

Woraufhin die Schulleiterinnen wieder auf die Ausgangsfrage zurückkommen, wie zeitgemäß eine Mädchenschule ist. Während Höller-Gauser sich absolut überzeugt von der monoedukativen Bildung zeigt („Es ist ein Geschenk für die Mädchen und es wäre gut, wenn es das auch für die Jungen geben würde“) geht Kreutz ins Detail. Auch sie sei skeptisch gewesen, als sie von einer großen Frankfurter Schule nach Großauheim wechselte. Doch das habe sich schnell aufgelöst. „Ist es noch zeitgemäß? Unterm Strich würde ich sagen: In dieser Form, ja. Es ist eine Nische, die funktioniert, aber unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Veränderungen immer auf den Prüfstand gestellt werden muss.“ (Von Patricia Reich)

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