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„Aschenputtel“-Premiere begeistert bei Brüder-Grimm-Märchenfestspielen in Hanau - Tickets noch erhältlich

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Hier ist die Welt bei Prinzessin Konstanzes Familie noch in Ordnung. V.r. Mutter Petronella (Claudia Artner), König Clemens (Benedikt Selzner), Aschenputtel, alias Konstanze (Myriam Akhoundov) und Griseldis (Alexandra Farkic).
Hier ist die Welt bei Prinzessin Konstanzes Familie noch in Ordnung. V.r. Mutter Petronella (Claudia Artner), König Clemens (Benedikt Selzner), Aschenputtel, alias Konstanze (Myriam Akhoundov) und Griseldis (Alexandra Farkic). © Grimm-Festspiele

Am Freitag (12. Mai) feierte „Aschenputtel“ Premiere bei den Brüder-Grimm-Märchenfestspielen im Amphitheater in Hanau.

Hanau - Die Ballszene zu Beginn des zweiten Aktes von „Aschenputtel“, das als Musical unter der Regie von Bart De Clerq die diesjährigen Brüder-Grimm-Festspiele in Hanau eröffnete, geriet am Freitagabend (12. Mai) zum absoluten Höhepunkt einer frischen und mitreißenden Inszenierung des beliebten Märchens. Die erzählte Geschichte – das Buch stammt von Intendant Frank-Lorenz Engel – orientiert sich eng an der Grimm’schen Vorlage.

Es geht darin um einen Prinzen auf Brautschau, der auf Wunsch der Eltern bei einem Ball herausfinden soll, welche der Bewerberinnen die Richtige sein könnte. Prinzessin Konstanze, von ihrer neuen Stiefmutter mit ihren zwei boshaften Töchtern zum Aschenputtel degradiert, schleicht sich verkleidet auf den Ball und gewinnt das Herz des Prinzen, der sie später mithilfe ihres auf der Schlosstreppe verlorenen Schuhs ausfindig macht und heiratet.

Spektakel aus Farben bei Premiere der Brüder-Grimm-Märchenfestspiele in Hanau

Angesagt vom eleganten, aber leicht begriffsstutzigen Haushofmeister Gerold (Kevin Arand) stolzieren beim bildgewaltigen Festbankett im Schloss die sich um die Gunst des heiratswilligen Prinzen Benedikt bewerbenden Interessentinnen mit großem Glamour die steile Treppe „in den Ballsaal“ hinab. Vor dem in dezent-grünem Marmorton gehaltenen Bühnenbild von Hans Winkler sorgen sie in ihren kunstvollen Kostümen mit viel Tüll, Seide und Glitzereffekten für einen Paukenschlag nach dem anderen. Unter den Damen mit den vielsagenden Namen sind die Hotelerbin Donna Ritz oder Inge Müller aus der Familie des Baustoffhändlers Peters. Dass die zweite Bewerberin von einem Mann im bodenlangen bauschigen Tüllgewand verkörpert wird, ist ein schöner Effekt am Rande.

Tickets für die Brüder-Grimm-Märchenfestspiele in Hanau

Die Brüder-Grimm-Märchenfestspiele im Amphitheater in Hanau laufen noch bis zum 30. Juli. Tickets für die Aufführungen von Aschenputtel & Co. gibt es auf der Website des Veranstalters.

Bei der Ballszene sorgt ein hervorragendes Ensemble in der Mär um die Halbwaise Prinzessin Konstanze, alias Aschenputtel, der der liebesverwirrte Vater, König Clemens, einen wahren Drachen als neue Mutter beschert, für ein Spektakel aus bunten Farben, Klängen, Bewegungen und Wortwitz. Herausragend dabei die in wunderbare Kleider gewandete stimmgewaltige Elisabeth Ebner, der die Arroganz der bösartigen Stiefmutter Dorabella aus jeder Pore trieft. Ebner spielt das hinterhältige „Miststück“ mit sichtlicher Begeisterung und rümpft die Nase über die Landeier im Schloss des neuen Gatten. Ihr ist auf der Seite der Guten die Fee und Vertraute Aschenputtels, Griseldis, gegenübergestellt, verkörpert von einer ebenfalls stimmlich überzeugenden Alexandra Farkic mit beeindruckender Bühnenpräsenz.

Brüder-Grimm-Märchenfestspiele in Hanau: Glückliches Händchen bei Besetzung

Als es eng wird für Aschenputtel, zaubert Griseldis und sorgt dafür, dass vom Baum am Grab der verstorbenen Mutter das Glitzerkleid herabfällt, das das Aschenmädchen in eine strahlende Schönheit verwandelt.

Die farbenfrohe Ballszene begeistert das Publikum mit wunderbaren Kostümen.
Die farbenfrohe Ballszene begeistert das Publikum mit wunderbaren Kostümen. © -

Intendant Frank-Lorenz Engel hat bei der Wahl seiner Darstellerin(nen) wieder sein glückliches Händchen bewiesen. Auch die weiteren Rollen sind gut besetzt. Als Aschenputtel gibt die 26-jährige Myriam Akhoundov ihr Debüt in Hanau und überzeugt mit einer vollen, runden Stimme. Mit Benedikt Selzner gibt es ein Wiedersehen. Er ist erstmals in einem Musical zu erleben und spielt hier den verwitweten und liebesverblendeten König Klemens. Soufjan Ibrahim ist der jugendlich-frische Prinz Benedikt auf Brautschau, der sich Zug um Zug von seinen Eltern emanzipiert.

Königin Gunhild (Franziska Kuropka) amüsiert das Publikum, indem sie ihrem Gatten, König Siegfried, dem Schönen – der lieber der Starke genannt werden will (Franz Frickel) – vegane Kost statt Fleisch verordnet. Siegfried wiederum will seinen Sohn zu Härte und männlichen Tugenden erziehen, beißt aber bei seiner Frau auf Granit. Sie möchte ihren Sohn „bereit machen für die neue Zeit“, sorgt dafür, dass er Chinesisch lernt und die Tai-Chi-Chi-Gong-Figur „Die fliegende Taube breitet ihre Flügel aus“ beherrscht. Dieser Familie mit ihren Schrullen und Marotten schaut man gerne und amüsiert bei der Zukunftsplanung zu.

Brüder-Grimm-Märchenfestspiele in Hanau: Herrlich naive Schwestern bei Premiere von „Aschenputtel“

Für zahlreiche Lacher sorgen auch die beiden Stiefschwestern. Die aus Sachsen stammende Schauspielerin Isabell Waltsgott darf als Dorette nach Herzenslust sächseln und später über die Bühne humpeln.

Denn die rabiate Mutter zwängt ihren zu groß geratenen Fuß mithilfe des Messers in den goldenen Schuh – keine Sorge, das geschieht hinter den Kulissen mittels eines Schreis und roter Farbe. Dorettes Schwester Babette (Charlotte Schramm) hat eine Vorliebe für Fremdwörter und verwechselt treffsicher kompetent mit korpulent, Appetit mit Aperitif und allergisch mit allegorisch. Das wirkt gelegentlich etwas plump, alles in allem sind die beiden Schwestern aber herrlich naiv und überspannt. Ihre Glanzstunde schlägt bei ihrem rockig angehauchten Duett „Wie man sich einen Mann angelt“.

Die Schlüsselszene: Prinz Benedikt ( Soufjan Ibrahim) probiert, ob der goldene Schuh der geheimnisvollen Prinzessin Aschenputtel passt.
Die Schlüsselszene: Prinz Benedikt ( Soufjan Ibrahim) probiert, ob der goldene Schuh der geheimnisvollen Prinzessin Aschenputtel passt. © PATRICK SCHEIBER

Die Diener(innen) glänzen nicht nur, als sie zu schwungvoller Musik den Saal zu den Klängen des Ohrwurms „Contenance ist alles“ für den Ball schmücken. Ein echter Hingucker sind auch die Tauben aus weißem Papier, die an Bündeln langer Drähte geschwenkt werden.

Es tut dem Stück keinen Abbruch, dass es sich um die Wiederaufnahme des bereits 2014 gezeigten Musicals handelt. Denn es gibt es eine ganze Reihe an Neuerungen. Nicht nur, dass der langjährige Choreograf Bart De Clerq auch die Regie übernimmt.

Brüder-Grimm-Märchenfestspiele in Hanau: „Aschenputtel“ der Neuzeit angepasst

Das Stück wurde zudem durch Hinzufügen und Umschreiben vieler Liedtexte der Neuzeit angepasst. Edith Jeske, die die Songtexte geschrieben hatte, hat hier ganze Arbeit geleistet. Manche Figuren seien nicht mehr zeitgemäß gewesen, erklärt sie nach der Aufführung. Aschenputtel erhält mehr Raum und ist nicht mehr so passiv. Im neu aufgenommenen „Ich kann es nicht verstehen“ singt sie, dass sie sich nicht weiter unterordnen will. Auch dem Prinzen wurde mehr Autonomie zugebilligt: „Ich will ich selber sein.“ Regisseur De Clerq waren die Familienkonstellationen und die starken Frauen wichtig.

Zurück zur Schlüsselszene des Stücks, dem Ball. Vom gestelzten Menuett wechseln die Gäste zu einer flotten Samba. Als schließlich das hinter einer Maske verborgene Aschenputtel nixengleich im Glitzerkleid erscheint, ist langsamer Walzer angesagt. Und während sich Prinz und Aschenputtel oben im Kreis drehen, tanzt unten die übrige Festgesellschaft.

Live-Band sorgt bei Brüder-Grimm-Märchenfestspielen in Hanau für Lebendigkeit

Dass das Musical von einer Live-Band begleitet wird (unter Leitung von Tobias Deutschmann) sorgt auch akustisch für Lebendigkeit und Abwechslung. Viele der Melodien bleiben im Ohr. Für Zuhörer, die es gefühlvoll mögen, sorgen die Songs von Aschenputtel oder Prinzessin Konstanze wie „Alles wird gut, jede Trauer muss mal enden“ oder von Vater Clemens „Für mein Kind will ich leben“, das er im Duett mit seiner Tochter singt. Doch es geht auch rockig, swingend oder im Stil einer Revue zu – etwa bei „Nur die Ruhe, Haltung zeigen“. Das Orchester jedenfalls ist eine echte Bereicherung, auch wenn die Tontechnik es hin und wieder zu stark nach vorne regelt - was auf Kosten der Liedtexte geht.

Beeindruckend verkörpert Elisabeth Ebner (Mitte) die böse Stiefmutter, hier mit ihren Töchtern Dorette (Isabel Waltsgott) und Babette (Charlotte Schramm).
Beeindruckend verkörpert Elisabeth Ebner (Mitte) die böse Stiefmutter, hier mit ihren Töchtern Dorette (Isabel Waltsgott) und Babette (Charlotte Schramm). © -

Nach dem Happy End sind die Zuschauer im Amphitheater, auch die als Ehrengast erschienene Bundesinnenministerin Nancy Faeser, restlos begeistert. Die nächsten Vorstellungen sind am Sonntag, 21. Mai, um 14 und 18.30 Uhr zu sehen.

Von Jutta Degen-Peters

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