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Grimms Märchen in Scherenschnitten: Sybille Schenker im Interview

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Wenn Illustratorin Sybille Schenker eine Idee hat, fertigt sie zunächst eine Bleistiftzeichnung an. Später legt sie diese auf schwarzen Zeichenkarton. Dann kommt ein Skalpell zum Einsatz. Foto: Susanne Wengeler
Wenn Illustratorin Sybille Schenker eine Idee hat, fertigt sie zunächst eine Bleistiftzeichnung an. Später legt sie diese auf schwarzen Zeichenkarton. Dann kommt ein Skalpell zum Einsatz. Foto: Susanne Wengeler

Hanau. Sybille Schenker zeigt im Rahmen der Ausstellungsreihe „Bilderbuchillustrationen im Hessischen Puppen- und Spielzeugmuseum Hanau-Wilhelmsbad“ unter dem Titel „Hänsel und Gretel“ Grimms Märchen in Scherenschnitten. Im Interview spricht die Kommunikationsdesignerin und Künstlerin unter anderem darüber, was sie inspiriert.

Von Andrea PaulyDie Nürnbergerin Sybille Schenker ist freischaffende Kommunikationsdesignerin und Illustratorin und gewann 2011 den Sonderpreis Märchenbilderbuch der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur.

Seit 2014 hat sie eine Professur für Illustration an der Design-Fakultät der TH Nürnberg Georg Simon Ohm inne. Was oder wer inspiriert oder beflügelt Sie als Illustratorin?„Das sind ganz unterschiedliche Dinge. Es kann ein inspirierender Text sein, ein interessantes Thema oder ein schön gestaltetes Buch. Ich bin ein großer Fan und Sammler von liebevoll gestalteten und interessant illustrierten Büchern. Es gibt viele Illustratoren und auch Künstler, deren Arbeit ich sehr schätze. Auf eine Person festlegen kann ich mich da nicht.

Was mich inspiriert, lässt sich auch schwer an einem bestimmten Beispiel festmachen, sondern hat viel mehr mit dem kreativen Ausdruck des Künstlers zu tun. Bei meinen Illustrationsstudenten an der TH Nürnberg spreche ich dabei gerne von der 'visuellen Stimme'. Diese sollte authentisch und wiedererkennbar sein, unabhängig vom gestalterischen Medium. Ich finde es unheimlich inspirierend, wenn ein Illustrator diesem Ausdruck folgt.“ Wie kam es dazu, dass sie auch Märchen illustrieren, und was reizt Sie besonders daran?„Während meines Masterstudiums für Illustration in den USA bin ich das erste Mal darauf gekommen, Märchen zu illustrieren. Es ging darum, ein Thema für unsere Abschlussarbeit zu finden, und die lange Zeit im Ausland hat das Bewusstsein für meine Wurzeln, Märchen und die Brüder Grimm geschärft.

Damals ist mein erstes Märchenbuch 'Hänsel und Gretel' entstanden, das 2011 im Verlag minedition erschienen ist. Märchen und Mythen sind zeitlos, und egal, wie oft sie bereits illustriert wurden, gibt jeder Künstler einen mehr oder weniger großen Teil seiner eigenen Identität mit dazu. Märchen lassen dem Illustrator viel Raum für eigene Bilder und Interpretation.“Scherenschnitte sind ja auf den ersten Blick eine eher traditionelle Kunstform. Wie kamen Sie dazu, damit zu arbeiten? Und wie unterscheiden sich Ihre Scherenschnitte von klassischen Arbeiten? „Der Scherenschnitt ist nur eines von vielen Werkzeugen für den kreativen Ausdruck. Von traditionell bis digital – mit all den medialen Facetten – ist in der Illustration momentan alles möglich und das macht sie so spannend. So könnte man auch den Bleistift als eine traditionelle Kunstform betrachten, mit der heute in der Illustration aber wieder gern und vielfältig gearbeitet wird. Es kommt immer darauf an, was man daraus macht.

Die Idee, mit dem Scherenschnitt zu arbeiten, entstand erstmals während meiner Recherche zu 'Hänsel und Gretel'. Mich hat der hohe Kontrast gereizt und die Möglichkeit, durch klare Flächen nicht alles im Bild zu kommunizieren. So kam mir die Technik damals sehr zu Gute und ich habe sie bis heute behalten. Meine Illustrationen sind eher grafisch und überlassen vieles der Fantasie des Betrachters. Wenn es einen Unterschied zu klassischen Arbeiten gibt, dann wäre es vielleicht dieser.“Wie arbeiten Sie?„Meine Werke entstehen relativ geplant, zumindest zu Beginn. Wenn ich eine Bildidee im Kopf habe, fertige ich eine Bleistiftskizze an. Diese Skizze lege ich auf einen – meistens schwarzen – Zeichenkarton oder stärkeres Papier. Mit einem Skalpell schneide ich dann entlang der skizzierten Linien. Ab dem Moment muss ich die Kontrolle abgeben. Wie genau der Scherenschnitt dann am Ende aussieht, weiß ich erst, wenn ich die Skizze vom Karton löse. Meistens bin ich selbst überrascht, dass nichts auseinanderfällt.“ Illustrationen für Erwachsene oder für Kinder? Wo sehen Sie den Unterschied, beziehungsweise gibt es überhaupt einen – bis auf die Sujets vielleicht? „Meiner Meinung nach ist der Unterschied hauptsächlich thematisch und weniger stilistisch. Natürlich ist es wichtig, dass die Illustrationen altersgemäß sind und von den Kindern gelesen werden können. Sie sollten nicht überfordern, aber dürfen durchaus ein wenig herausfordern. Das gilt übrigens auch für Texte. Ich stelle fest, je mehr Fantasie des Illustrators mit einfließt, desto interessanter finden es die Kinder. Im Idealfall sollten oder dürfen die Illustrationen auch Erwachsene ansprechen. Kinder verstehen sehr viel mehr, als wir Erwachsenen manchmal denken.“War es schon als Kind Ihr Wunsch, Malerin oder Illustratorin zu werden? „Der Wunsch, auch beruflich zu zeichnen, kam tatsächlich schon sehr früh. Mein Großvater war Architekt und Zeichner und hat mich von Kindheit an gefördert. So kam der Entschluss, ein grafisches Studium zu wählen, schon sehr früh während meiner Schullaufbahn. Meine Familie stand dabei immer hinter mir, auch als ich den Weg nach New York ins Masterstudium gegangen bin.“Was verbinden Sie mit Hanau – außer den Brüdern Grimm? „Leider war ich noch nie in Hanau, aber ich freue mich, die Stadt im Rahmen der Ausstellung kennenzulernen. Das Bild, das mir als erstes in den Kopf kommt, ist tatsächlich das Nationaldenkmal der Brüder Grimm und der Hanauer Märchenpfad – von dem ich bisher nur gehört habe. Was ich mir bei meinem Besuch auf keinen Fall entgehen lassen möchte, ist das Papiertheatermuseum.“

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