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„Querdenken 711“: So finanziert sich die umstrittene Stuttgarter Corona-Bewegung

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Von: Julian Baumann

Michael Ballweg, Initiator der Initiative «Querdenken», spricht bei einer Demonstration auf dem Schlossplatz
Laut dem baden-württembergischen Innenministerium finanziert sich „Querdenken“ hauptsächlich durch Schenkungen. © Christoph Schmidt/dpa

Die Initiative „Querdenken 711“ aus Stuttgart ist für die zahlreichen Protestaktionen gegen die Corona-Maßnahmen bekannt. Wie finanziert sich die umstrittene Bewegung?

Stuttgart - Bereits seit dem ersten Inkrafttreten der Maßnahmen im Kampf gegen das Coronavirus in Baden-Württemberg (BW24* berichtete) sind die Proteste gegen diese Regelungen mit einem Namen verbunden: „Querdenken“. Inzwischen gibt es zahlreiche Splittergruppen der Bewegung in Baden-Württemberg und auch darüber hinaus.

Zurück geht die Querdenken-Bewegung jedoch auf die Initiative „Querdenken 711“ aus der Landeshauptstadt Stuttgart*. Im vergangenen Jahr organisierte die Initiative um Unternehmer Michael Ballweg zahlreiche Demonstrationen, Protestaktionen und Autokorsos in verschiedenen Städten. Ziel der Demonstrationen ist laut den Querdenkern die Abschaffung der Corona-Maßnahmen und die Wiederherstellung der Grundrechte.

Nach einer längeren Pause meldete sich die Initiative „Querdenken 711“ zu Beginn des Jahres mit einem Autokorso in Stuttgart zurück. Seitdem fanden immer mehr Automassen-Demos in Baden-Württemberg* statt. Am kommenden Samstag wollen die „Querdenker“ auf dem Cannstatter Wasen in Stuttgart demonstrieren*. Bei den Demonstrationen werden nicht selten große Bühnen aufgebaut, es muss für Sicherheit gesorgt werden und auch Licht- und Tontechniker sind im Einsatz. Laut dem Stuttgarter Innenministerium finanziert sich die Bewegung größtenteils durch Spenden, wie die Stuttgarter Zeitung berichtet.

„Querdenken“: Finanzierung durch Schwenkungen und Merchandise-Verkauf

Die Initiative „Querdenken“ wird seit Langem stark kritisiert. Bei den Demonstrationen zeigte sich im vergangenen Jahr eine immer deutlicher werdende Radikalisierung. Beispielsweise verglich eine ElfJähre auf einer „Querdenken“-Demo in Karlsruhe* ihre Zeit im Lockdown mit der Situation des jüdischen Mädchens Anne Frank während der Nazizeit. Durch die zunehmenden Vorfälle wird die Initiative inzwischen sogar vom Verfassungsschutz überwacht*. Auf Anfrage der Landtags-SPD beschäftigte sich das baden-württembergische Innenministerium auch mit der Finanzierung der „Querdenken“-Bewegung, wie die Stuttgarter Zeitung berichtet. Laut dem Ressort von Innenminister Thomas Strobl (CDU) finanziert sich die Initiative vor allem durch Schenkungen, zu denen auf den Internetseiten und in sozialen Netzwerken aufgerufen wird.

Die Beobachtung der Initiative „Querdenken“ stehe noch am Anfang, deshalb habe man noch keine „belastbaren Informationen“ darüber, wie sie sich finanziert, heißt es aus dem Innenministerium. Es gebe jedoch vermutlich auch Einnahmen aus dem Verkauf von Merchandise-Artikeln. Für die SPD war die Information des Ministeriums nicht ausreichend.

Die Behörden sollten verstärkt Medienberichten nachgehen, denen zufolge die Bewegung bewusst Gelder von Unterstützern annehme, ohne einen genauen Verwendungszweck anzugeben, fordert der SPD-Abgeordnete Boris Weirauch laut der Stuttgarter Zeitung. „Es bestehen erhebliche Zweifel, ob es sich bei den Einzahlungen tatsächlich um Schenkungen an Einzelpersonen aus der Querdenker-Szene handelt und nicht vielmehr um zweckgebundene Spenden“, sagte er.

„Querdenken“-Finanzierung: Michael Ballweg als „Corona-Unternehmer“ des Jahres 2020

Michael Ballweg, der Kopf der Initiative „Querdenken 711“ bestritt die Vorwürfe der SPD. Mit 100.000 Euro aus seinem privaten Kapital habe er bereits im Juni 2020 eine „Stiftung zum Erhalt der Demokratie“ gegründet, sagte er laut der Stuttgarter Zeitung. In der Sendung „ZDF Magazin Royal“ kürte Satiriker Jan Böhmermann Michael Ballweg Ende 2020 zum „Corona-Unternehmer des Jahres“. „Die Lunge, der Kopf und vor allem das Portemonnaie von Querdenken“, so Böhmermann in der Sendung. Der Satiriker sprach dabei ebenfalls die Merchandise-Artikel der Bewegung, beispielsweise ein T-Shirt „für 24,99 Euro im Online-Shop den Ballweg auf seiner Website bewirbt“, an.

Das dadurch eingenommene Geld komme nicht den unterschiedlichen „Querdenken“-Gruppen zugute, sondern „gehe nach Stuttgart“, hieß es in der Folge vom „ZDF Magazin Royal“. Endgültig belegt ist das bisher nicht. Tatsächlich strebt die Bewegung nach eigenen Angaben an, als gemeinnützig anerkannt zu werden. In diesem Rahmen plant die Initiative, eine Stiftung in Frankfurt am Main zu gründen. Dieses Vorhaben habe das Regierungspräsidium in Darmstadt bislang jedoch zurückgehalten, wie die Stuttgarter Zeitung berichtet.

In der Antwort des Innenministeriums auf die Anfrage der SPD heißt es jedoch, „Querdenken“ habe nach eigenen Angaben ein Konto bei der „Gemeinwohlkasse“ in Ulm eröffnet. Darauf sei ein kleiner Betrag eingezahlt worden. Die erst im September 2020 eröffnete „Gemeinwohlkasse“ könne jedoch der Gruppierung „Königreich Deutschland“ zugeordnet werden, heißt es weiter. Diese Gruppierung wird vom Verfassungsschutz als extremistische Organisation eingestuft. *BW24 ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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