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Unheimliche Corona-Parallele: In Deutschland drohen nächste Woche „italienische Verhältnisse“

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Von: Marcel Görmann

Jens Spahn will die Coronavirus-Epidemie in Deutschland eindämmen.
Jens Spahn will die Coronavirus-Epidemie in Deutschland eindämmen. © Michael Kappeler/dpa

Der Faktor Zeit ist entscheidend: Eine zu schnelle Ausbreitung des Coronavirus könnte auch in Deutschland zu chaotischen Zuständen in Kliniken führen.

Update 13. März 2020: Dass Deutschland innerhalb von wenigen Tagen italienische Verhältnisse bekommen kann, also eine weitestgehende Stilllegung des öffentlichen Lebens und eine stark steigende Zahl an Infizierten, bestätigen nicht nur jüngste Meldungen nach denen in den ersten Bundesländern Kitas und Schulen schließen*.  Ähnlich wie auch bereits in Südkorea, das mit seiner Strategie durchaus Vorbild-Charakter hat.

Auch eine Grafik verdeutlicht die Gefahr. Der Twitter-User „HerrNaumann“ berechnet seit Tagen anhand der Fallzahlen die parallelen Verläufe zwischen Italien und Deutschland. Seine These: Deutschland liegt konstant nur 8 bis 9 Tage hinter Italien zurück. Wir würden also eine nahezu identische exponentielle Wachstumsrate erleben - nur eben leicht zeitverzögert. 

Für die Zahlen bis zum 11. März berechnete der Twitter-User einen „Faktor 10 alle 8.5 Tage“. Es gab eine Verzehnfachung der Fallzahlen vom 3. März bis zum 11. März. Ziel muss es deshalb sein, diese extremen Wachstumsraten zu senken. Deutschland drohen ansonsten schon am 20. März deutlich über 20.000 Fälle, von denen die meisten mild verlaufen würden, aber eben rund auch fünf Prozent kritisch. 

Laut einer Coronavirus-Karte der Berliner Morgenpost waren es am Donnerstag 2745 bestätigte Fälle - zeitverzögert waren es am 3. März in Italien 2502 bestätigte Fälle. Tatsächlich lag Deutschland damit sogar über den Werten Italiens zu diesem Zeitpunkt! Wichtig ist hierbei für die Einordnung, dass es sich lediglich um bestätigte Fälle - die realen Zahlen dürften in beiden Ländern aufgrund der Dunkelziffer noch deutlich höher liegen. Klar ist jedoch die Tendenz. 

Video: Merkel ruft zum Verzicht auf soziale Kontakte auf

In einem deutlichen Appell an die Bevölkerung wiederholte die Kanzlerin diese Bitte.

Coronavirus: Wieso Deutschland in kurzer Zeit „italienische Verhältnisse“ drohen könnten

München - Das Coronavirus greift zunehmend in das Leben der deutschen Bürger ein, es werden immer mehr Sicherheitsmaßnahmen angeordnet, um die Ausbreitung der Infektion zumindest einzuschränken. Es wird klar, dass Politiker und Experten nicht auf eine schnelle Lösung aus sind, sondern eine langfristige Eindämmung anstreben. 

So werden Großveranstaltungen abgesagt, Sportligen vorzeitig beendet und es droht die Schließung einiger öffentlicher Einrichtungen wie Schulen und Universitäten.

Coronavirus-Ausbreitung: Grafik zeigt Bedeutung der Zeit als entscheidender Faktor auf

Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte zuletzt, dass es schlicht „um das Gewinnen von Zeit“ gehe. Wichtig dabei ist, das exponentielle Wachstum der Epidemie einzudämmen. Dies verdeutlicht unter anderem ein Tweet des Bundesministeriums für Gesundheit. Wenn in kurzer Zeit sich zu viele Menschen mit dem Virus infizieren und ein Teil davon sogar intensivmedizinische Versorgung benötigt, könnte die Kapazität des Gesundheitssystems überlastet werden. 

Dem stimmt auch Julien Riou, Epidemiologe der Universität Bern gegenüber der DPA zu. „Es geht um nichts anderes als um die Gefahr eines exponentiellen Wachstums.“ Das erklärt er mit einem Rechenbeispiel, bei dem er davon ausgeht, dass im Durchschnitt zwei weitere Menschen von einem Corona-Infizierten angesteckt werden. Bleibt man bei dieser Zahl, würden aus 500 Fällen nach nur elf Verdopplungen mehr als eine Million werden. Eine derart rasante Ausbreitung wäre kaum mehr aufzuhalten.

Coronavirus: Krankenhäusern könnten überlastet werden

Kommt es zu so einem exponentiellen Wachstum, könnten das Gesundheitssystem und insbesondere die Krankenhäuser große Probleme kriegen. Vor allem, weil einige Wissenschaftler laut einem DPA-Bericht damit rechnen, dass im Schnitt sogar drei Personen von einem Infizierten angesteckt werden.

Dass hochgerechnet nur jedes vierte Bett in deutschen Krankenhäusern unbesetzt ist, unterstreicht die Grafik des Ministeriums und zeigt, wie wichtig es für die Kapazität des Gesundheitssystems ist, auf einen längeren Zeitram auszudehnen. Anderenfalls könnte eine starke Überlastung drohen. Das hätte verheerende Folgen für die Versorgung der Patienten. 

Coronavirus: Jens Spahn betont Schutz der „gesundheitlich Schwächsten“ - Impfstoff noch nicht in Sicht

Auch wenn „nur“ 20 Prozent schwerer am Virus erkranken*, von dieser Schätzung gehen Virologen aus, kann ein erheblicher Bevölkerungsanteil davon betroffen sein, wenn es zu einer schnellen Infizierung kommt. Für Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ist vor allem wichtig, durch Schutzmaßnahmen „die gesundheitlich Schwächsten zu schützen.“ Gemeint sind insbesondere die Risikogruppen der Senioren und Menschen mit Vorerkrankungen.

Derzeit wird davon ausgegangen, dass 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung von Covid-19 infiziert werden. Es bleibt abzuwarten, ob die entschlossenen Maßnahmen, wie Geisterspiele in der Bundesliga oder Konzertabsagen, zu Erfolgen führen - sonst drohen Zustände wie in Italien. Da laut dem Deutschlandfunk frühestens in einem Jahr mit einem Impfstoff gerechnet wird, dürfte sich die Lage ohnehin nicht allzu schnell beruhigen. 

Bis dahin empfehlen die Experten vor allem regelmäßiges Händewaschen, das Vermeiden von Menschenmengen und den Verzicht auf unnötige Reisen. 

Lesen Sie auch: Coronaferien für alle Schüler? Experten warnen vor großen Risiken bei Schulschließungen in ganz Deutschland

Das Coronavirus hält die ganze Welt in Atem. In Italien herrscht Ausnahmezustand. Doch in der Stadt Siena trotzen die Menschen dem Virus auf schöne Art und Weise.

ta/mag

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