Coronavirus: Harvard-Forscher entdecken besonderen Antikörper – Durchbruch für Universal-Impfstoff?

Das Coronavirus erwehrt sich der Forschung mit immer neuen Mutationen. Damit könnte es bald vorbei sein. Dank eines Antikörpers, der auf die Bezeichnung „SP1-77“ hört.
München - Einer für alle! So lautet der ambitionierte Anspruch diverser Forscherteams, die derzeit rund um den Globus daran arbeiten, das Coronavirus in die Schranken weisen zu können. Das Ziel lässt sich einfach beschreiben, stellt aber eine umso größere Hürde dar. Denn es geht den Experten eben darum, einen Impfstoff zu erschaffen, der vor allen Varianten von SARS-CoV-2 schützt.
Bislang verteidigte sich das Virus über die Vielzahl an Mutationen vor den diversen Vakzinen und stellt daher auch mehr als zweieinhalb Jahre nach seiner Entdeckung noch immer eine Bedrohung für viele Menschen weltweit dar. So ist trotz Forschungen unter Hochdruck noch immer kein Wirkstoff gegen die Omikron-Varianten zugelassen, obwohl diese seit Monaten vorherrschend sind.
Zuletzt gab es immerhin auch positive Schlagzeilen. Etwa die Erforschung eines „Pan-Sars-Virus“-Antikörpers oder die Entdeckung des Antikörpers „1249A8“. Beide sollen mutationenübergreifend agieren und dem Coronavirus damit das Leben schwer machen.
Forschung gegen Corona: Antikörper „SP1-77“ soll gegen alle Mutationen schützen
Einen weiteren Lichtblick im Corona-Tunnel verschafften nun Experten um Dr. Sai Luo und Dr. Frederick W. Alt vom Boston Children‘s Hospital und der Harvard Medical School. Sie stießen über ein Mausmodell – also Tests mit Labormäusen – auf einen Antikörper, der sich ebenfalls verschiedenen Coronavirus-Varianten erfolgreich entgegenstemmen kann. Publiziert wurde die womöglich bahnbrechende Arbeit in der Fachzeitschrift Science Immunology.
Der Hoffnungsträger hört in der Forschung auf den Namen „SP1-77“. Denn dieser Antikörper bekämpfte in den über Wochen andauernden Experimenten die Coronaviren besonders erfolgreich – unabhängig von deren Zusammensetzung. Insgesamt bildete der Mausorganismus neun Antikörper-Varianten, nachdem die Tiere menschliche Gene eingepflanzt bekommen hatten und daraufhin das Spike-Protein des ursprünglichen Coronavirus auf sie losgelassen wurde.
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Antikörper für alle Corona-Mutationen: „SP1-77“ greift erst bei Verschmelzung der Membranen ein
Die erfreuliche Erkenntnis der Forscher: „Bemerkenswert ist, dass ‚SP1-77‘ alle derzeit bekannten SARS-CoV-2-Virusvarianten bis hin zu BA.5 wirksam neutralisierte, einschließlich der robusten Neutralisierung der kürzlich aufgetauchten Omikron-Untervarianten BA.1, BA.2, BA.3, BA.4/BA.5 und BA.2.12.1.“ Das Besondere an dem Antikörper für alle Corona-Fälle: Er hemmt nicht etwa bereits die Bindung des Virus an die Wirtszelle oder dessen Endozytose – also die Aufnahme von Stoffen durch Einstülpung der Plasmamembran –, sondern schaltet sich erst ein, wenn die Membran des Virus mit der der Zelle verschmelzen will.
Die Pharmazeutische Zeitung zitiert mit Professor Dr. Thomas Leopold Kirchhausen einen der Autoren so: „‚SP1-77‘ bindet das Spike-Protein an einer Stelle, die bisher in keiner Variante mutiert ist, und es neutralisiert diese Varianten durch einen neuartigen Mechanismus.“ Seine Vermutung: „Diese Eigenschaften könnten zu seiner breiten und starken Aktivität beitragen.“
Corona und die Antikörper: Forscher haben Hoffnung auf einen Universal-Impfstoff
Die Forscher betonen jedoch auch: „Um den potenziellen therapeutischen Nutzen des Antikörpers weiter zu demonstrieren, müssen wir die Neutralisierung von Lebendviren von Omikron durchführen.“ Gelinge die Neutralisierung der Coronaviren durch „SP1-77“ dabei ähnlich umgreifend, „könnte er als Therapeutikum gegen aktuelle und neu auftretende Virusvarianten eingesetzt werden“. Mit anderen Worten: als Universal-Impfstoff gegen Corona.
Auch ein Mix mit anderen Antikörpern könne eine Option sein. Und: „Darüber hinaus könnte der nicht-traditionelle Neutralisierungsmechanismus von ‚SP1-77‘ die Entwicklung neuer Impfstoffstrategien inspirieren, die auf ein breiteres Spektrum von BA.5 und anderen Virusvarianten abzielen.“
In diesen Sätzen steckt noch viel Konjunktiv. Aber mindestens ebenso viel Hoffnung, dass SARS-CoV-2 trotz der Bildung immer weiterer Subtypen nicht mehr lange Angst und Schrecken verbreiten wird. (mg)